157 - Der Tod von Baikonur
Gewalt zur Tür hinaus. Dann schloß er ab.
„So", sagte er. „Und jetzt im Klartext, Genossin Dimitrowa. Warum hat man Sie geschickt, und was will dieser Mann hier? Er gefällt mir nicht."
Dunja antwortete nicht. Sie stand still da, und ihr Gesicht war irgendwie leer. Dorian und Flindt begriffen zuerst, was geschah.
Das schwarzhaarige Mädchen war nicht ansprechbar. Dunja Dimitrow träumte…
„Da ist ein Wolf', sagte sie stockend. „Da ist ein furchtbarer Hunger. Der Wolf will töten. Aber er darf nicht. Es ist nicht die rechte Zeit."
Dorian sah sie an. Er hob die Hand, berührte die Stirn des Mädchens und zuckte wie unter einem Stromschlag zurück.
„Wo", flüsterte Abi. „Wo ist der Wolf? Wer ist es?"
„Eine Uniform", flüsterte Dunja.
Uniformen gab es unzählige in Baikonur.
„Was für eine Uniform?" drängte Abi Flindt. „Was kannst du erkennen? Siehst du ein Gesicht?" Dunja Dimitrow blieb jetzt stumm.
„Wo genau ist der Wolf?" fragte Dorian. „Kannst du uns den Weg zu ihm zeigen?"
„Hunger", flüsterte sie. „Hunger nach Leben. Er kämpft mit sich. Er muß sich beherrschen. Er leidet. "
„Wo?" wiederholte Dorian. „Wo ist der Wolf? Rede, Dunja."
„Die Uniform… er…" Sie brach ab und schrie gellend auf. Ihr Körper wand sich in Zuckungen, und Dunja schlug wild um sich. „Weg!" schrie sie. „Geh weg! Geh… nein, ich will nicht…"
Kiwibin preßte ihr eine Gemme gegen die Stirn, die er aus einer Jackentasche gezogen hatte. Sofort wurde Dunja ruhig. Sie erwachte aus ihrer Traumtrance. Verwirrt sah sie sich um.
Irgendwo in Baikonur schrie ein Mann laut auf. Er verspürte Schmerz, und für kurze Zeit unterdrückte der Schmerz den wölfischen Hunger. Dann war es wieder vorbei. Über Baikonur stand der bleiche Mond.
„Du hast geträumt", sagte Dorian ruhig. „Von einem Werwolf, der eine Uniform trägt. Erinnerst du dich?"
Dunja setzte sich auf die Bettkante. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. Dorian sah, daß sie etwas zitterte.
„Ich wurde psionisch überlappt", sagte sie leise. „Es war plötzlich einfach da, und ich konnte nichts dagegen tun. Das Fremde… dieser Werwolf… ich weiß nicht, wie der Kontakt zustande kam. Ich habe Angst vor ihm."
„Können Sie den Kontakt erneuern und präzisieren, Genossin Dimitrowa?" wollte Kiwibin wissen. Aber das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Ich habe Angst", wiederholte Dunja. „Angst, daß er mich tötet, so wie Samjatow getötet wurde. Ich wollte nicht hierher. Man hat mich geschickt. Ich will nicht getötet werden."
„Niemand wird dich töten. Samjatow war allein. Jetzt sind wir hier", sagte Flindt. Dunja sah ihn seltsam an. Der Däne räusperte sich. Plötzlich empfand er seine Worte als unangebracht. Der große Held, der dem hilflosen Mädchen Schutz verspricht. Kitschig wie im Film. Und doch…
„Erzählen Sie von Ihrem Auftrag und von Kommissar Letskij", sagte Kiwibin. „Warum bin ich von Ihrem und seinem Eintreffen nicht unterrichtet worden?"
„Letskij kommt vom Ministerium für Raumfahrt. Man hat ihn hergeschickt, weil man um das Projekt KOSMOVEGA fürchtet. Man will einen Mann mit Entscheidungsbefugnis hier in Baikonur wissen, falls ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden müssen."
„Ungewöhnliche Maßnahmen?" Dorian hob die Brauen.
„Zum Beispiel die Zerstörung der KOSMOVEGA", sagte Kiwibin, „falls ein in unrechte Hände geraten sollte. Falls ein fremdländischer Spion an die geheimen Konstruktionsunterlagen kommt.
Die Amerikaner könnten sich durchaus für ein Großraumschiff dieses Typs interessieren. Sie werden sich vielleicht wundern, warum wir diesen Weg beschreiten. Sie werden sich fragen, wieso es rentabel sein kann, ein so großes Raumschiff von der Erde aus zu starten. Sie werden sich fragen, ob wir ein neuartiges Antriebssystem entwickelt haben, das diesen Start erleichtert."
„Und? Haben Sie?" fragte Dorian schmunzelnd.
„Bitten Sie Letskij, daß er Sie die Unterlagen einsehen läßt."
Dorian lachte leise.
„Ich soll Samjatow ersetzen", fuhr Dunja fort. „Ich kann keine Gedanken lesen, aber ich bin ein Medium. Man hofft, daß ich Kontakt mit der Magie finde, die über den Werwölfen liegt, so wie ich damals Kontakt zu dir in Malkuth hatte, Dorian. Man erhofft sich aus meinen Träumen mehr."
„Und das hat gerade funktioniert", sagte Kiwibin. „Die Genossen in Adademgorodok scheinen gar nicht dumm zu sein."
„Ja", sagte Dunja. „Aber ich will es nicht. Ich
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