1573 - Grauen im Geisterschloss
unterstreichen.«
»Was unternehmen wir?«
»Es ist ganz einfach. Wir werden unser Zimmer verlassen und gehen nach draußen. Eine andere Wahl bleibt uns nicht.«
»Das Grauen im Keim ersticken?«
»So ähnlich.«
Wir schauten uns beide an. Jenny Holland fasste nach meiner Hand, als wollte sie sich dadurch Mut holen.
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte ich noch mal.
Sie lachte plötzlich auf und sagte danach etwas, an das sie wohl selbst nicht glaubte.
»Kann ich denn Geister mit meiner Waffe erschießen?«
»Ich denke nicht.«
»Dann schätze ich unsere Chancen nicht sehr hoch ein«, fasste sie zusammen, drehte sich um und schritt noch vor mir auf die Zimmertür zu…
***
Auf dem Weg durch das Haus war uns nichts aufgefallen. Nur hatten wir Rosa Rowland nicht gesehen, aber das spielte keine Rolle.
Vor der, Hautür blieben wir stehen und wollten erst mal alles auf uns zukommen lassen, aber da war nichts, was auf uns zu gekommen wäre.
Wir hatten damit gerechnet, dass auch die Leute im Ort das seltsame Schloss gesehen hatten und nun reagierten. Doch nichts rührte sich. In Balerno schien es noch ruhiger geworden zu sein.
Das hatte auch Jenny Holland festgestellt.
»Kommt dir diese Ruhe nicht komisch vor?«, fragte sie. »Wie komisch?«
Sie hob die Schultern. »So - so - anders. Irgendwie gläsern, habe ich das Gefühl. Künstlich.«
»Ja, schon.«
»Das war aber eine knappe Antwort.«
Ich lachte. »Was soll ich dazu groß sagen? Hier sind Zeiten zusammengestoßen. Es muss sich dabei etwas verändern, und ich vermute, dass wir auf der Grenze stehen.«
»Das heißt, hier ist das Schloss noch nicht, um seinen Einfluss auszubreiten?«
»So kann man es sehen.«
»Dein Kreuz…«
Ich ließ sie nicht aussprechen. »Da haben wir Pech. Aber das wird sich ändern.«
»Wenn wir wieder in den Ort gehen und zwar in den Bereich, wo sich die Zeiten vermischen?«
»Genau, Jenny.«
»Ja, dann mal los«, flüsterte sie. »Ich bin gespannt, ob sich uns wieder diese Krieger in den Weg stellen. Bewohnt scheint das Geisterschloss ja zu sein.«
Hinter uns hörten wir ein Geräusch.
Beide fuhren wir herum und sahen uns Rosa Rowland gegenüber.
Himmel, was hatte sich die Frau verändert! Sie wirkte erschöpft, und sie musste sich auch am Türpfosten festhalten, um nicht zusammenzubrechen.
Auf ihrem totenbleichen Gesicht lag ein Schweißfilm, der Mund stand offen, und der flackernde Blick konnte uns einfach nicht gefallen. So sah ein Mensch aus, der unter großer Angst litt und Hilfe suchte.
Jenny war zuerst bei ihr und stützte sie.
»Meine Güte, was ist mit Ihnen passiert?«
»Ich - ich - weiß nicht«, presste sie hervor. »Es ist alles so anders geworden.«
»Wie anders?«
»Ich fühle mich schlecht, und ich habe Stimmen gehört, wo eigentlich niemand war. Bitte, ich - Sie müssen mir helfen. Da ist etwas anderes gekommen, das…«
Jenny stützte sie ab. »Okay, Mrs. Rowland. Gehen Sie wieder zurück ins Haus.«
»Und dann?«
»Legen Sie sich hin.«
»Aber ich kann nicht schlafen, wirklich nicht. Ich fühle mich plötzlich so krank.«
»Wir bringen Sie ins Haus.«
Das ließ sie mit sich geschehen.
Wir hatten einen ersten Eindruck davon bekommen, was geschehen konnte, wenn gefährliche magische Kräfte in das Leben der Menschen eingriffen.
Aber es ging ja nicht nur um Rosa Rowland. In Balerno lebten noch andere Menschen, und es war die Frage, wie die reagieren würden.
Ihre Wohnräume lagen in der unteren Etage. Gemeinsam stützten wir die Frau, als wir sie durch den Flur führten. Ihre Füße schleiften dabei über den Boden. Ihr Atem ging kurz und heftig.
Das Schlafzimmer lag gleich neben der Küche. Ein kleiner Raum, in dem ein zu großes Doppelbett stand. Mit einer Seite stand es an der Wand.
Sie setzte sich auf das breite Bett und wischte mit beiden Händen über ihr Gesicht.
»Geht es Ihnen besser?«, fragte ich.
Ihre Hände sanken nach unten. »Ich weiß es nicht. Es ist alles so anders. Ich habe das Gefühl, mich gar nicht mehr in dieser Welt zu befinden. Als wäre ich in eine andere hineingetaucht. Das ist furchtbar, kann ich Ihnen sagen. Ich bin noch ich, aber in mir steckt etwas Fremdes. Damit komme ich beim besten Willen nicht zurecht. Das habe ich noch nie erlebt. Das ist einfach grauenhaft.«
»Legen Sie sich besser hin.«
»Nein.« Sie streifte Jennys Hände von ihren Schultern. »Das kann ich nicht. Es ist zu spät. Hier geht etwas vor, das ich mir nicht erklären
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