1574 - In den Händen des Folterers
dauerte nicht lange, bis Alaska als Ziel Somtran, die dritte Welt, ausmachte. Es war ein blau schimmernder Planet, der sich so deutlich von Mondruck unterschied, daß kein Zweifel möglich war.
Siela meldete sich. „Was ist los?" fragte sie beunruhigt. „Hatten wir nicht ein anderes Ziel?"
Alaska wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Mit einer gewissen Erleichterung stellte er fest, daß Sie ihren SERUN trug. Damit hatte auch sie die nötigen Maßnahmen für ihre Sicherheit getroffen.
Blieb nur zu hoffen, daß man ihnen die Schutzanzüge nicht irgendwann abnahm. „Ich kann es dir nicht sagen", erwiderte er. „Wir sind vom Kurs abgewichen. Ciloreem wird seine Gründe dafür haben."
Sie verstand den versteckten Hinweis, und sie sah plötzlich sehr nachdenklich aus. „Ich fürchte, ich war ein wenig zu leichtgläubig", sagte sie.
Massur befand sich in Hochstimmung. Der kleine, untersetzte Somtran-Somer schob sich durch die Menge seiner Gäste, die den großräumigen Salon seines Hauses buchstäblich bis in den letzten Winkel füllten. „Laßt mich durch!" rief er vergnügt, wobei er seine Hände kurz an seinen Backenbart legte. Der Bart war feuerrot, doch die Bartenden waren hellblau eingefärbt. „Er ist endlich da. Der Eibrecher ist gekommen!"
Die Freunde und Bekannten seiner Familie waren aus allen Teilen der Wüstenwelt Somtran herbeigeeilt, um Zeuge des großen Ereignisses zu werden. Massur und seine Frau Amla, eine energische und herrschsüchtige Person, erwarteten Nachwuchs, und heute war der große Tag, an dem die Familie Massur um zwei Küken größer werden sollte.
Der Kommandant öffnete die Tür und breitete die Arme aus, als er Pralkat Kowas, den Eibrecher, sah. Der Mann trug die flammendrote Uniform seines Standes. Voller Würde trat er Massur entgegen. „Welch ein Tag für dich, Kommandant!" begrüßte er ihn, drehte sich um und zeigte auf die blühende Parklandschaft hinaus, die Massur mit hohem Aufwand und gewagten Wassergeschäften in einem Tal zwischen hohen Vulkanen geschaffen hatte. „Die Sonne scheint. Ein Meer von Blüten heißt das neue Leben willkommen.
Ich freue mich für dich."
Gemessenen Schrittes betrat er den Salon. Eine breite Gasse bildete sich, als die Männer und Frauen ehrfurchtsvoll zur Seite wichen.
Der Eibrecher war ein hochangesehener und wichtiger Mann, ohne den kein einziges Kind das Licht der Welt erblicken durfte. Kinder, denen er nicht auf die Welt geholfen hatte, galten von Geburt an als verfemt und wurden zeit ihres Lebens verachtet, eine Tatsache, die dem erblichen Amt des Eibrechers große Macht verlieh.
Jeder werdende Vater bei den Somtran-Somern zitterte bei dem Gedanken, der Eibrecher könnte ihm den Wunsch abschlagen, in der großen Stunde bei ihm zu sein, und so brauchte ein Mann wie Pralkat Kowas nur die Hand auszustrecken, um zu schwindelerregenden Honoraren zu kommen. Massur hatte ein kleines Vermögen geopfert, um sicher zu sein, daß der Eibrecher pünktlich in seinem Haus erschien.
Dennoch hatte er bis zum letzten Moment in der Angst gelebt, Kowas könne verhindert sein.
Nun fiel ihm ein Stein vom Herzen. Der Eibrecher war da, und sein Haus war voller Gäste. Alle würden Zeugen des großen Moments sein.
Massur atmete einmal tief durch, dann schritt er voller Stolz vor Pralkat Kowas her durch die Gasse, die seine Gäste gebildet hatten, zu seiner Frau Amla und seiner schon fast erwachsenen Tochter Erga hin, die voller Glück und Zufriedenheit vor der Tür zum Nest standen und auf sie warteten. Amla legte das traditionelle Cape ab, das sie bis dahin um die Schultern getragen hatte, warf eine Handvoll Körner als Zeichen des Glücks über die Köpfe der Gäste und verschüttete einige Tropfen Wasser auf dem Boden, während Erga sichtlich gerührt einen Strauß Blumen, den sie bis dahin in den Händen gehalten hatte, öffnete, um die Blüten abzuzupfen und auf den Weg zu streuen, der zum Nest führte.
Massur blieb mit dem Eibrecher vor ihnen stehen und stellte Frau und Tochter vor, wie es Sitte war, obwohl Pralkat Kowas sie schon lange kannte, hatte er doch Erga ans Licht der Welt geholt.
Kowas hob grüßend seine Hände und wünschte der Familie Glück und Gesundheit. „Möge das Glück ewig auf eurer Seite stehen", sagte er, während einige Bedienstete langsam die Türen zum Nest auseinanderschoben und damit den Weg zu dem Raum freigaben, in dem zwei weiße Eier auf weich gepolsterter Unterlage und von warmen Tüchern umhüllt
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