1575 - Luzifers Angriff
verschwand.«
»Richtig.«
»Nur werden wir ihn dort nicht finden.«
»Stimmt auch. Aber es wäre nicht schlecht, etwas von dieser Atmosphäre aufzunehmen, die in dem Haus herrscht. Father Ignatius hat von besonderen Kräften gesprochen, die er dort vermutet, und ich denke mir, dass er recht hat.«
»Das ist anzunehmen.«
Das Bild der Landschaft veränderte sich ein wenig. Es gab nicht mehr viele Büsche, die uns Deckung geben konnten. Die Lücken waren größer geworden, und wenig später sah ich eine Gruppe von Laubbäumen, in deren unmittelbarer Nähe ein alter Diesel-Mercedes parkte. So dunkel wie das Gefieder eines Raben.
Ich hatte den Mönch erreicht. Ich ging jetzt neben ihm her und fragte: »Das ist wohl dein Wagen, oder?«
»Du hast ein gutes Auge.«
»Und der fährt noch?«
Stephan lachte. »Seit mehr als zwanzig Jahren. Die Karre ist unverwüstlich.«
»Dann kann ja nichts schiefgehen.«
Wir stiegen ein und landeten in einem Innenraum, der ziemlich aufgeheizt war. Ich erfuhr, dass es keine Klimaanlage gab, und deshalb drehten wir die Scheiben an den Vordertüren nach unten.
»Wie lange werden wir unterwegs sein?«
»Nicht ganz eine Stunde. Das Haus steht einsam und nicht in einer Ortschaft. Das nächste Kaff heißt Lesna, aber bis dorthin sind es schon einige Kilometer.«
»Und wo hat sich dieser Matthias herumgetrieben?«
»Nicht nur an einem Ort, das ist ja das Problem. Er ist auf Wanderschaft gegangen. Taucht mal hier auf, mal da.«
»Immer noch als Priester?«
»Genau.« Stephan lachte. »Wir Polen sind sehr katholisch. In jedem noch so kleinen Kaff gibt es eine Kirche oder eine Kapelle. Und vor Priestern haben die Menschen noch immer großen Respekt.«
»Das ist nicht nur hier so.«
»Aber hier besonders.«
»Was hat er hinterlassen?«
»Ein Chaos, sage ich dir. Er hat die Menschen durcheinandergebracht, indem er von den Vorteilen der Hölle predigte. Das habe ich so offen noch nie bei einem Priester gehört. Es gibt immer wieder Abtrünnige, aber nicht auf so eine intensive Weise. Was er früher gemocht und geliebt hat, ist jetzt für ihn zu einem reinen Hassobjekt geworden. Wir werden ihn stellen, darauf kannst du dich verlasen. Und das müssen wir auch, bevor das Unheil noch größer wird.«
»Einverstanden.«
Wir fuhren jetzt auf einer normalen Straße weiter. Allerdings recht langsam, denn sie befand sich nicht eben in einem guten Zustand. Und der alte Mercedes schluckte alle Unebenheiten brav.
»Ach ja, eine Frage noch, John.«
»Bitte, ich höre.«
»Trägst du dein Kreuz bei dir?«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
Stephan Kowalski atmete erleichtert auf. »Gut, dann kann ja nichts schiefgehen.«
Ich hielt mich mit einer Bemerkung zurück, denn so sicher wie er war ich nicht…
***
Das Haus, in dem sich Matthias zuletzt aufgehalten hatte, bevor er verschwunden war, lag wirklich einsam. Ich erfuhr, dass es lange nicht mehr als Herberge für junge Leute benutzt wurde. Dafür hatten die schrecklichen Morde gesorgt.
Es sah aus wie viele andere Häuser auch. Eine besondere Düsternis war von außen nicht zu erkennen.
Wir fuhren so nahe wie möglich an unser Ziel heran, verließen dann den Wagen und gingen auf unser Ziel zu.
Auch hier erlebten wir eine Stille, die ich schon von meinem Warteplatz her kannte. Man konnte das Gefühl haben, als wäre das ganze Land ausgestorben.
Bruder Stephan schaute mich von der Seite her an. »Spürst du bereits etwas?«
»Was meinst du?«
»Vielleicht eine besondere Aura. Wäre ja möglich, oder?«
»Nein, nichts.«
Ich hatte mich noch immer nicht richtig daran gewöhnt, dass der Mann neben mir in seinem so lockeren Outfit Mitglied in einem kirchlichen Orden war. Aber Father Ignatius und die Organisation der Weißen Macht gingen eben andere Wege. Wer in diesen Kreis aufgenommen werden wollte, der musste schon etwas Besonderes darstellen und bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen.
Es hielt sich niemand im Haus auf. Jedenfalls sah ich kein Gesicht hinter einem der Fenster. Es gab eine Tür, die aber nicht funktionierte. Das heißt, sie konnte nicht mehr normal geschlossen werden und hing ein wenig schief in den Angeln.
»Willst du zuerst?«, fragte Stephan.
»Ich denke schon. Bist du schon mal hier gewesen?«
»Nein, das ist auch für mich eine Premiere.«
»Okay, dann schauen wir uns mal um.«
Bevor ich das Haus betrat, holte ich das Kreuz unter dem Hemd hervor, ließ Stephan Zeit genug, es zu bestaunen,
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