1577 - Der Engelssohn
sogar die Luft.
Godwin hatte mich als Helfer gerufen, weil er von einem Kleinkind vor dem Bösen gewarnt worden war. Das war für mich ein Phänomen.
Ich würde diesen Gabriel erst noch kennenlernen, fragte mich allerdings schon jetzt, wer er wirklich war und woher er kam. Ich hatte keine Vorstellung und ging nur davon aus, dass er ganz gewiss kein normales Kind war.
Aber er kannte das Böse. Er kannte Matthias. Und das ließ darauf schließen, dass der Junge möglicherweise ein größeres Wissen besaß als meine Templerfreunde und ich zusammen, einschließlich Sophie Blanc.
Am Flughafen hatte ich mir eine Flasche Wasser besorgt, aus der ich hin und wieder einen Schluck nahm. Zudem beschäftigte mich die Frage, ob Matthias bereits über meine Aktivitäten Bescheid wusste.
Von meinen Freunden in Alet-les-Bains hatte ich seit dem letzten Telefongespräch nichts mehr gehört. Deshalb hoffte ich, dass es ihnen gut ging und sie die Zeit gesund überstanden hatten.
Ich überlegte, ob ich anhalten und mit Godwin telefonieren sollte, aber ich war nur noch gut dreißig Kilometer von meinem Ziel entfernt, und das war in einer guten halben Stunde zu schaffen, auch wenn die Straße nicht mit einer Autobahn zu vergleichen war.
Bisher war die Fahrt normal verlaufen. Einen Angriff erlebte ich nicht.
Matthias zeigte sich nicht. Ich hoffte, dass er noch unterwegs war und erst später eintreffen würde, was sogar wahrscheinlich war, denn Typen wie er bevorzugten die Dunkelheit.
Der Himmel über mir zeigte eine hellblaue Farbe, die ab und zu von weißen Wolkentupfern unterbrochen wurde.
Da ich Alet-les-Bains kannte, wollte ich direkt zum Kloster fahren und mich nicht erst im Ort umschauen. Godwin und seine Frau würden froh sein, wenn sie mich sahen, und mir erging es nicht anders.
»Du bist wieder unterwegs, John Sinclair?«
Beinahe hätte ich das Lenkrad verrissen, so sehr hatte mich die Stimme erschreckt.
Der Sprecher, der nicht zu sehen war, musste seinen Namen nicht nennen. Ich wusste, dass es sich um Matthias handelte.
Sofort fuhr ich langsamer und lenkte den Wagen an den rechten Straßenrand, wo ich stoppte.
»Hast es wohl nicht erwarten können, wie?«
Ich gab keine Antwort. Dafür schnallte ich mich los, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. So konnte ich mich im Wagen umschauen und stellte fest, dass er leer war. Der Sprecher hielt sich in einer anderen Dimension auf.
»Da bist du ja«, sagte ich.
»Klar. Freust du dich?«
»Wir haben noch eine Rechnung offen«, wich ich aus. »Das weiß ich. Und die werden wir auch begleichen. Aber ich hasse es, wenn du mir ins Gehege kommst.«
»Was treibst du für ein Spiel, Matthias? Wem willst du Böses? Wer hat dir etwas getan?«
»Ich erfülle nur meinen Auftrag, und das mit aller Konsequenz. Die kleine Russenkirche in Polen war nur der Anfang. Ab jetzt widme ich mich größeren Aufgaben.«
»Den Templern, wie?«
»Ja, genau.«
»Sie werden dir die Stirn bieten, das weiß ich. Sie sind eine Macht, mit der auch du Probleme haben wirst und…«
»Hör auf, zu lamentieren. Ich weiß genau, was ich tue und wie stark ich bin.«
Er hatte kaum ausgesprochen, da zeigte er sich.
Wie ein Gespenst erschien er dicht vor der abfallenden Kühlerhaube, und ich sah, dass er sich nicht verändert hatte.
Noch immer trug er diesen langen, tailliert geschnittenen Mantel. Auf dem Kopf die Mütze, unter der sich das Gesicht abzeichnete, in dem die kalten Augen alles beherrschten. So gnadenlos, mit einer schon arktischen Kälte gefüllt. Ein Abziehbild Luzifers, denn wer als Mensch in seine Nähe geriet und in seine Augen schaute, der konnte schon den Verstand verlieren.
Längst hatte mich mein Kreuz gewarnt. Es war unter meiner Kleidung verborgen, was ich ändern wollte.
Das ahnte der abtrünnige Agent der Weißen Macht. Mit der flachen Hand schlug er auf die Kühlerhaube und ließ sie dann darauf liegen. Er wollte das Blech nicht eindrücken, er hatte etwas ganz anders vor.
Von seiner Hand löste sich plötzlich blaues Licht, und so schickte er mir einen höllischen Gruß entgegen.
Licht bedeutet normalerweise Hoffnung. In diesem Fall leider nicht.
Es verging nicht mal eine Sekunde, als ich die Macht der Hölle zu spüren bekam, denn das Licht verwandelte sich gedankenschnell in eine Feuerlohe, die im Nu meinen Wagen erfasste und hinter der sich die Gestalt des abtrünnigen Priesters einfach auflöste…
Von einem Moment zum anderen schwebte ich in Lebensgefahr und mir war
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