1577 - Der Engelssohn
steckte in einer Zwickmühle. Es könnte tatsächlich zu einem Angriff kommen, aber sicherlich nicht so, wie sich seine Brüder es vorstellten. Er glaubte nicht mal an rohe Gewalt. Die Attacke würde subtiler erfolgen.
»Willst du uns nichts sagen?«
»Ich kann es wirklich nicht.«
»Baphomet?«
Damit war der mächtige dämonische Feind der Templer angesprochen worden. Ein Dämon, dem einige der ehemaligen Kreuzritter dienten. Das war eingetreten, als der Orden im vierzehnten Jahrhundert zerschlagen worden war, und es hatte sich bis in die heutige Zeit gehalten. Es gab noch immer Versprengte, die diesem Irrglauben nachhingen.
In der letzten Zeit war es ruhiger um diesen Dämon geworden, was den Brüdern sehr entgegenkam. Vergessen war Baphomet nicht. »Nein, Freunde, mit Baphomet hat es nichts zu tun. Es gibt noch andere Feinde, die uns nichts Gutes wollen.«
»Kannst du Namen nennen?«
»Das habe ich bereits.«
»Ach, Matthias?«
»Sicher.«
Die beiden waren skeptisch, was sie auch ausdrückten. Sie konnten sich schlecht vorstellen, dass jemand mit diesem Namen so gefährlich war, und als Godwin das hörte, wusste er nicht, was er ihnen darauf erwidern sollte. »Wir müssen es einfach darauf ankommen lassen und wachsam sein.«
»Gut, das sind wir.«
»Danke.«
Er ging wieder und schaute auch bei den anderen Brüdern vorbei. Sie stellten ihm fast die gleichen Fragen.
Auf dem Weg zu seinen privaten Räumen gelang es ihm wieder, normaler zu denken. Da kam ihm wieder der Junge in den Sinn. Dass er eine Gegenkraft zu Matthias darstellte, konnte sich der Templer kaum vorstellen. Ein kleines, Kind, über das er wenig wusste. Er kannte nicht einmal seine Herkunft, und darauf sollte er seine Hoffnungen setzen?
Godwin gab zu, dass der Junge ungewöhnliche Fähigkeiten besaß.
Woher sie stammten, war ihm unbekannt. Ebenso wie seine Eltern, falls es die überhaupt gab.
Aber er ließ sich nicht davon abbringen, dass Gabriel etwas Engelhaftes an sich hatte. Oder auch Ätherisches. Das hatte er bei dessen Verschwinden erlebt.
Er setzte seine Hoffnungen darauf, dass es Sophie gelingen konnte, Zugang zu dem Jungen zu finden.
In ihrer privaten Wohnung hielt sie sich nicht auf, wie er schnell feststellte. Normalerweise hätte er sich keine Sorgen um sie gemacht, in diesem Fall wurde er schon nachdenklich. Wäre sie in den Ort gegangen, hätte sie ihm etwas gesagt.
Ein Signal machte ihn darauf aufmerksam, dass er elektronische Post erhalten hatte. Godwin rief den Text der E-Mail ab, starrte den Schirm an und merkte, dass er weiche Knie bekam.
Es lag an der E-Mail.
Ein Satz nur, doch der reichte.
ICH BIN SCHON NAHE!
***
Sophie Blanc hatte es in ihrer Wohnung nicht mehr ausgehalten. Sie musste sich einfach bewegen, ebenso wie es ihr Mann tat. Nur wollte sie nicht durch das Kloster wandern, sie brauchte frische Luft und ging deshalb in den Garten.
Hinzu kam, dass sie von einer inneren Stimme getrieben wurde und diese nicht ignorierte. Wer sie da manipulierte, wusste sie nicht, jedenfalls sperrte sie sich nicht dagegen und betrat den Garten.
Die Sonne schien bereits seit Stunden und hatte die Luft richtig aufgeheizt. Es war zudem eine schwüle Wärme, die einem den Schweiß aus den Poren trieb. Es roch nach einem Gewitter, und wenn sie zum Himmel schaute, sah sie im Westen einen breiten dunklen Streifen, der in einigen Stunden das Kloster erreicht haben würde. Dann konnte es am Abend richtig krachen.
Der warme Wind wehte durch den Garten und streichelte ihr Gesicht. Sie nahm den Duft der Sommerblumen auf, aber auch die Gerüche des Grases. Es hätte alles so wunderbar sein können, wenn da nicht die schweren Gedanken gewesen wären, die ihr durch den Kopf gingen.
Die Gefahr lauerte. Und sie war sehr stark. Das hatte sogar John Sinclair bestätigt.
Aber wer war dieser Matthias, vor dem sogar Gabriel gewarnt hatte?
Vor einer Bank im Schatten einer Hecke blieb sie stehen, als sie an das Kind dachte. Automatisch setzte sie sich nieder. Sie wollte Ruhe haben, um über Gabriel nachdenken zu können, und so stellte sie sich die Frage, ob er ihre Hoffnung in diesem Fall war. Warner und Hoffnungsträger zugleich.
Aber wo steckte er?
Sophie wusste es nicht. Er war verschwunden, hatte sich einfach aufgelöst.
Sophie hatte sich einen guten Platz ausgesucht, an dem es nicht so heiß war. Die Sonne stand schon tiefer und erreichte nicht mehr den ganzen Garten. Zudem spendete die Hecke Schatten, und ihr gefiel auch die
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