1578 - Hass der Verlorenen
Hintergrund stand starr. Sie interessierte Glenda trotzdem, denn sie sah aus wie ein zu Stein gewordener Mensch. Sie hielt die Arme vom Körper leicht abgespreizt und hatte ein menschliches Gesicht, dichtes Lockenhaar und den Ansatz eines Bartes.
Und ihr fiel noch etwas auf. Von ihren Schultern standen keine Flügel ab, aber so etwas wie dünne Zweige, deren Herkunft sich Glenda nicht erklären konnte. Möglicherweise hatte die Gestalt mal Flügel gehabt, von denen jetzt nur ein filigraner Rest übrig geblieben war.
Glenda hatte sich vorgenommen, sich zuerst mit der starren Figur zu beschäftigen. Sie musste einen Bogen schlagen, um sie zu erreichen.
Dabei geriet sie nahe an die anderen Gestalten heran, die sich noch immer nicht bewegten und mit hellen Tüchern verhängt waren, sodass sie aussahen wie Gespenster.
Keine Bewegungen?
Glenda irrte sich, denn plötzlich zuckten vier der vor Kurzem noch starr gewesenen Hände. Es war erst der Anfang. Auch in die Körper geriet Bewegung, und wenig später rutschten die Tücher von ihnen herab, sodass Glenda die beiden Gestalten sehen konnte.
Sie hielt den Atem an, denn sie schaute in bleiche, leichenähnliche Gesichter mit offen stehenden Mäulern…
***
Im ersten Moment zuckte sie zurück. Es war die ganz natürliche Reaktion eines Menschen, der sich erschrocken hatte, nicht mehr. Ob die beiden ihre Köpfe gedreht hatten, um Glenda anzuschauen, konnte sie im Nachhinein nicht sagen, aber sie musste in die bleichen, starren Fratzen schauen und glaubte plötzlich, eine bestimmte Art von Zombies vor sich zu haben, die es nur hier gab.
Warum nur zwei? Warum blieben die anderen Gestalten mit den hellen Tüchern verhängt und noch immer starr?
Es gab eine simple Erklärung. Diese beiden mussten erweckt worden sein, und das hatte nur geschehen können, weil sie jemand mit einer Seele oder mit Leben gefüllt hatte. Und dieses Leben hatten sich die Astralleiber von zwei Menschen geholt, die nie mehr die Augen öffnen würden.
Glenda verstand nun, was hier ablief. Diese zwei waren erst der Anfang.
Andere Menschen würden ihr Leben verlieren, um die restlichen Gestalten zu erwecken, die hier ihren Sterbeort gefunden hatten. Es waren auch vorher keine normalen Menschen gewesen, das auf keinen Fall. Glenda hatte es hier mit anderen Geschöpfen zu tun, von denen schon Raniel gewusst hatte.
Waren es Engel der besonderen Art?
Da sie sich keine andere Erklärung denken konnte, hielt sie daran fest.
Engel, vielleicht auch Dämonen. Manchmal war die Spanne zwischen ihnen nicht besonders groß.
Sie war gespannt, was die wieder Erwachten vorhatten. Die anderen Geister, die sie auch in ihrer normalen Welt gequält hatten, sah Glenda nicht mehr. Jetzt kam es nur auf die beiden an, die ihr angebliches Leben zurückerhalten hatten.
Und sie gingen weiter. Ihr Ziel war die starre Gestalt mit dem menschlichen Aussehen. Glenda interessierte sie nicht, sie wollten nur zu ihm, der wie ein Götze dort stand und die beiden erwartete.
Hier gab es offenbar keinen Tod für immer.
Glenda war hier die einzig normal lebende Person, und sie wartete gespannt ab, was sich weiterhin ereignen würde…
***
»Du?«, sagte ich und wusste nicht, ob mich der Auftritt des Gerechten freuen sollte.
»Wer sonst?«, sagte er, wobei auf seinem markanten Gesicht ein Lächeln erschien.
»Was willst du hier?«
Er ging nur einen kleinen Schritt ins Zimmer hinein, bevor er eine Antwort gab.
»Ich muss dem Grauen ein Ende bereiten. Ich will nicht, dass noch mehr Menschen sterben. Ich habe gedacht, eitlen Sieg errungen zu haben, doch jetzt muss ich einsehen, dass ich damals nicht konsequent genug gewesen bin.«
»Damals?«
»Ja.«
»Wann war das?«
Raniel winkte ab. »Die Zeit ist nicht wichtig. Ich weiß nur, dass ich eingreifen musste, denn ich hatte es plötzlich mit Gegnern zu tun, die von jemandem angeführt wurden, der so werden wollte wie ich. Er war ein Feind von mir. Ich habe ihn leider nicht vernichten können, aber ich habe mich seinen Vasallen gestellt, sie besiegt und dann einen Fluch ausgesprochen, der jetzt aufgelöst worden ist.«
»Warum?«, fragte Suko.
»Durch ihn. Er ist gekommen. Er hat sie gefunden. Er hat ihre Astralleiber aufgespürt, um durch sie dafür zu sorgen, dass in die starren Gestalten wieder Leben kommt, sodass er seine Pläne nach dieser langen Pause weiterführen kann.«
Ich hatte einiges gehört, aber nichts begriffen. Deshalb fragte ich: »Wer ist diese Gestalt?
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