1579 - Der Kopf des Dämons
und schaute dabei in die Runde, bevor er sagte: »Darüber bin ich auch sehr froh…«
***
Ihre kleine Wohnung hatte Patricia immer geliebt. Sie hatte sogar einen Balkon, den sie Schwalbennest nannte, weil er so winzig war. Und jetzt?
Sie schluckte und wagte nicht, normal zu denken. Für sie gab es keine Normalität mehr. Denn die hatte sich von ihr zurückgezogen.
Das Erlebnis im Studio war einfach zu einschneidend gewesen. So stark hatte sie es noch nie durchlitten, und jetzt war sie allein, allein in ihrer Wohnung, die ihr keinen Spaß mehr machte. Der Wohlfühleffekt war verschwunden, und sie fragte sich, ob er je zurückkehren würde. So richtig konnte sie nicht daran glauben, weil einfach alles zu hart gewesen war. Sie fühlte sich in ihren eigenen vier Wänden wie eine Gefangene, und das war einfach grausam.
Wer waren diese Dämonen in ihr?
Sie wusste auf diese Frage keine Antwort, so sehr sie sich auch anstrengte. War es ihr angeboren, war es erst später in ihr zum Ausbruch gekommen? Es war alles möglich. Bisher hatte sie noch nie darüber nachgedacht, aber nach dem letzten Anfall hatten sich die Dinge verändert. Wann würde der nächst Anfall erfolgen?
Morgen? Übermorgen? Oder in drei Tagen oder erst in vier Monaten?
Sie wusste es nicht. Es war ihr alles so fremd geworden.
Der kleine Balkon ging vom Wohnzimmer ab. Eine schmale Tür musste sie öffnen, um das Schwalbennest zu betreten.
Das wollte sie aber nicht. Draußen würde sie sich wie auf dem Präsentierteller fühlen. Da war es besser, wenn sie in ihrem Wohnraum blieb, dessen Wände sie mit Plakaten verziert hatte, die allesamt sie selbst zeigten. Sie auf der Bühne, aber auch Standfotos von kleinen Werbespots, für die sie immer wieder engagiert wurde.
Und in der Zukunft?
Sie lachte auf, als ihr dieser Gedanke kam. Mit beiden Fäusten schlug sie gegen den Wulst der Rückenlehne ihres Sessels.
Nein, ihre Karriere konnte sie so nicht fortsetzen. Das war einfach unmöglich.
Sie stellte sich vor, dass plötzlich wieder ein Anfall kam. Und das mitten in einem Dreh.
Das wäre das Ende gewesen. Dann schon lieber sich freiwillig zurückziehen. Alles andere wäre nicht gut.
Es gab noch eine kleine Schlafkammer, daneben das winzige Bad mit der Toilette und der Dusche. Eine ebenfalls kleine Küche gehörte natürlich auch zur Wohnung.
Die Zunge lag ihr pelzig im Mund, der zudem noch trocken geworden war. Sie brauchte unbedingt einen Schluck Wasser.
Auf der Spüle in der Küche standen zwei volle Flaschen. Etwas mit Zitrone versetzt. Aber sie sah auch die Ginflasche, die auf einem Bord darüber stand. Plötzlich fing sie an zu lächeln.
Patricia sah sich zwar nicht als Trinkerin an, doch einen Schluck hin und wieder hatte sie schon immer gern genossen. Deshalb öffnete sie zuerst die Ginflasche, setzte sie an und ließ das Zeug in ihre Kehle gluckern.
Ah, das tat ihr gut!
Sie musste achtgeben, dass sie nicht zu viel davon trank, schüttelte sich und stellte die Flasche wieder zur Seite, wobei ein leises Stöhnen über ihre Lippen drang.
Das Wasser trank sie anschließend und musste zugeben, dass es ihr besser schmeckte. Sie konnte sich gedanklich sogar von den Ereignissen lösen und beschäftigte sich wieder mit dem normalen Alltagsgeschehen. Dazu gehörte der Gang unter die Dusche, den sie sofort danach antrat.
Die schmal Duschtür ließ sie offen, denn sie wollte, dass die Wasserdampfschwaden aus dem kleinen fensterlosen Raum abzogen.
Lange ließ sie Wasser über ihren Körper laufen und wickelte sich anschließen in das große Badetuch ein, mit dem sie sich auch abgetrocknet hatte. Über der Brust knotete sie es zusammen und wollte schon zum Föhn greifen, um die nassen Haare zu trocknen, als das Telefon anschlug.
Es war das normale Geräusch, aber Patricia erschrak so stark, dass sie zusammenzuckte.
Wer rief sie an? Wer konnte etwas von ihr wollen?
Es kam eigentlich nur das Tonstudio infrage. Alex war ihr Verhalten schließlich aufgefallen. Er wollte vielleicht wissen, wie es ihr jetzt ging.
Es konnte auch der Anruf einer kleinen Filmfirma sein, die Werbespots produzierte. Egal, wer es versuchte, sie wollte von niemandem gestört werden.
Es klingelte weiter. Patricia empfand das Geräusch als nervtötend. Sie schüttelte den Kopf.
»Hör endlich auf! Ich will nicht gestört werden…«
Es hörte nicht auf.
Und sie nahm ab. Es war mehr ein Reflex. Sie wunderte sich, dass sie plötzlich den Hörer in der Hand hielt, ihn sogar
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