1579 - Der Kopf des Dämons
an ihr Ohr hob und sprach.
»Ja?«
Eine fremde Männerstimme antwortete ihr. Das war kein Mitarbeiter einer ihr bekannten Firma.
Eine heiße Welle schoss in ihr hoch, als sie hörte, dass der Unbekannte ihren Namen aussprach.
»Ja, das bin ich.«
»Sehr gut. Ich möchte…«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Aber ich möchte nicht mit Ihnen sprechen. Sie sind mir fremd.«
»Das weiß ich. Hören Sie mir zumindest ein paar Sekunden zu. Ist das okay für Sie?«
»Ja, reden Sie.«
»Mein Name ist John Sinclair. Ich arbeite bei Scotland Yard. Sie müssen also keine Angst davor haben, von einem Fremden überfallen zu werden. Mein Kollege und ich möchten Sie aufsuchen und mit Ihnen reden. Sie können sich sicher vorstellen, um was es geht.«
»Nein.« Sie verkrampfte sich bei der Antwort.
»Können wir trotzdem zu Ihnen kommen und mit Ihnen reden?«
Sie stimmte zu und hörte sich fragen, wann die Männer kommen würden. Die Antwort vernahm sie sehr leise. Das lag an ihr und nicht an dem Sprecher.
»Ich denke, dass wir in einer Viertelstunde bei Ihnen sein können, Miss Wells.«
»Ja, dann kommen Sie.«
»Danke.«
Patricia stand da und bewegte sich nicht. Sie hielt den Hörer fest. Wie einen Fremdkörper betrachtete sie ihn. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
Es war die erste Regung, die zweite bestand aus einem Lachen. Dann legte sie den Hörer auf und wunderte sich über sich selbst. Warum hatte sie sich von dem Anrufer überreden lassen?
Sie begriff es selbst nicht. Fünfzehn Minuten hatte sie Zeit, vielleicht etwas weniger, und jetzt stellte sie fest, dass sie noch immer das Handtuch um den Körper gewickelt hatte. So wollte sie die Polizisten nicht empfangen.
Ob der Mann ihr seinen Namen gesagt hatte, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Es war möglich, einen Eid wollte sie aber nicht darauf ablegen.
Sie zog sich im kleinen Schlaf raum an. Nahm irgendetwas aus dem Schrank und streifte es über. Eine weiße Hose, einen dünnen grünen Pullover mit V-Ausschnitt. Sie kämmte ihr Haar und fand sich dabei im Bad wieder.
Der Blick in den Spiegel sagte ihr genug. Noch immer stand der Ausdruck der Angst in ihren Augen. Die Normalität war noch längst nicht zurückgekehrt, und das würde auch noch dauern.
Bis es dann erneut über sie kam und sie Dinge sah, die noch geschehen würden.
»Ich hasse es!«, flüsterte sie. »Warum kann man mich nicht in Ruhe lassen? Ich will das alles doch nicht. Nicht mehr…«
Das Spiegelbild gab ihr keine Antwort. Trotzdem hatte sie den Eindruck, dass sich irgendetwas verändert hatte.
Sie war allein, nur fühlte sie sich nicht so. Jemand oder etwas war bei ihr. Etwas Fremdes, das sich in ihrem Innern festgesetzt hatte und für einen bestimmten Druck sorgte, der sie einfach nicht loslassen wollte.
Es war ihr fremd und trotzdem bekannt…
Patricia drehte sich um, weil sie den Eindruck hatte, dass jemand hinter ihr stand.
Da war niemand, aber es war doch etwas anders geworden. Eine Welle erreichte sie. Es waren für sie stark komprimierte Gefühle, die sich plötzlich zu einem Bild zusammenfügten, das mitten im Raum vorhanden war und sie anschaute.
Wie einen schwachen Schatten sah sie den Kopf als leicht grünlichen Umriss im Raum schweben…
***
Patricia stand an der Tür. In diesem Moment erlebte sie das Grauen, das seinen Ursprung in ihrer Erinnerung hatte. Es gab den Kopf, der nicht mal so scheußlich aussah.
Sie hatte ihn nicht vergessen, nur vergraben, aber jetzt kam alles wieder hoch. Die Erinnerungen an damals, wobei dieses Damals nicht mal so lange zurücklag.
Sie wusste, dass der Kopf etwas ganz Besonderes war. Danach hatte es bei ihr begonnen, und sie hätte nie für möglich gehalten, ihn auf eine derartige Weise wiederzusehen.
Oder war er gar nicht da?
Die Frau wischte über ihre Augen. Sie wollte, dass das Bild verschwand.
Sie wollte nichts mehr davon wissen, aber es löste sich nicht auf.
Keine Täuschung, keine Einbildung. Der Kopf war da, und sie hatte den Eindruck, seine Stimme zu hören, was nicht stimmte, denn es waren ihre eigenen Gedanken, die ihr die Erinnerung zeigten.
Die Insel. Die Höhle. Die Einsamkeit, die sie bewusst gesucht hatte.
Und dann war es passiert. Sie war dem Bann des Kopfes erlegen.
Auch nach dem Verlassen der Insel war dies für eine Weile so geblieben. Es hatte sich danach abgeschwächt. Dafür war etwas anderes geschehen. Sie hatte diese Gabe bekommen, die sie entweder als Fluch oder als Segen ansehen
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