1579 - Der Kopf des Dämons
Katastrophe.
Klar, dass sich für uns Fragen auf taten, die wir nicht zu stellen wagten, denn wir wollten Pat Wells nicht stören.
Sie sah etwas, nicht wir, und wir hofften, dass sie uns mitteilte, was sie sah.
Das Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie sah bleich aus. Die Haut wirkte sogar durchscheinend. Ich hatte die Aussagen von Alex Higgins nicht vergessen. Im Studio hatte Pat Wells davon gesprochen, dass der Tod unterwegs war.
Und jetzt?
Die Sekunden verstrichen, und uns blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Pat schaute uns zwar an, doch ihr Blick war in die Ferne gerichtet. Sie wirkte wie jemand, der einfach durch uns hindurch sah und sich dabei auf etwas konzentrierte, was für uns im Verborgenen lag.
Dann sprach Pat. Sehr leise. Wir mussten uns schon anstrengen, um ihre Worte zu verstehen.
»Er will sie töten. Er ist unterwegs. Er hat eine Waffe, aber sie ist nicht zu sehen. Er wird sie vernichten, und sie ahnen nichts davon.«
Ich hielt es nicht mehr aus. »Wer ahnt nichts davon?«
»Die beiden jungen Leute. Sie wollen nur ihren Frieden haben, aber das will er nicht.«
»Können Sie ihn sehen?«
»Nur schwach.«
Das war schlecht, und so versuchte ich es mit einer anderen Frage. »Wo hält er sich auf?«
»Er wartet auf sie.«
»Okay, Pat, wo?«
Sie gab uns keine Antwort, was frustrierend war, denn wir hofften darauf, noch etwas retten zu können.
Dann sagte sie doch etwas. »Am Tower!«
»Was?«
»Ja, in der Schlange, glaube ich. Er wartet da. Ich spüre es.«
»Und Sie können uns nicht beschreiben, wie er aussieht?«
»Nein.«
»Wann kann es passieren?«
»Ich weiß es nicht - aber der Tod ist unterwegs.«
Es war wenig, aber es reichte uns, denn wir wussten jetzt, wo die Tat durchgeführt werden sollte.
Am Tower war immer etwas los. Da gab es nicht nur die Raben, sondern auch die Touristen, die zu jeder Tangeszeit dort anstanden, um hineinzukommen.
Genau dort sollte der Mord geschehen, und das in aller Öffentlichkeit.
Wir hatten einen kleinen Vorteil. Patricia Wells’ kleine Wohnung lag nicht weit vom Tower entfernt.
Shadwell liegt östlich der berühmten Brücke, und hier stand das Haus in einer der kleinen Straßen.
Suko stand schon und sagte: »Sie bleiben hier in Ihrer Wohnung. Wir werden zu Ihnen zurückkommen.«
Ob sie es verstanden hatte, war ihr nicht anzusehen. Aber sie nickte, und ihr Gesicht blieb weiterhin ausdruckslos.
Uns hielt nichts mehr, denn wir wussten, dass es jetzt auf Sekunden ankommen würde…
***
Orry Stone besaß die Machete schon seit einigen Monaten. Er hatte sie einem Bekannten abgekauft, als dieser in finanziellen Problemen steckte. Und Orry hatte schon immer eine besondere Waffe haben wollen, die andere nicht besaßen.
Dass er sie mal einsetzen würde, damit hatte er auch gerechnet. Gegen Einbrecher besonders. Zur Verteidigung, wobei er auch seine Freundin Janet mit einschloss.
Er liebte sie über alles. Ihretwegen hatte er sich einen festen Job gesucht. Ihretwegen hatte er aufgehört zu kif fen, und es hätte alles so gut laufen können.
Bis dieser Franzose gekommen war. Der Lover mit dem scheuen Blick.
Er hatte Janet rumgekriegt. Alles hatte sie in ihrer Verliebtheit vergessen.
Sie war dem Kerl nachgerannt und letztendlich bei Orry ausgezogen.
Natürlich in eine bessere Wohnung, die ihr wahrscheinlich ihr neuer Freund finanzierte. Der Typ arbeitete in der Botschaft seines Landes. Da wurde man schon bevorzugt und hatte Privilegien, von denen der Normalbürger nur träumen konnte.
Orry hatte alles versucht, Janet zu halten. Es hatte nichts genützt. Sie war bei dem Franzosen geblieben, der ihr ein besseres Leben bieten konnte.
Zum Schluss hatte Janet ihn sogar ausgelacht, dass es ihm schon wehgetan hatte. Und dabei war etwas in ihm zerbrochen. Einfach kaputt gegangen.
Er hatte Janet nur angeschaut und nichts gesagt. Danach war sie praktisch vor ihm geflohen, denn sie hatte den Tod in seinen Augen gesehen.
Für Orry gab es nur eines: Rache, Abrechnung. Keine Gnade mehr kennen. Er würde das vernichten, was man ihm genommen hatte. Sein Leben war nicht mehr lebenswert, also sollte Janet auch nicht mehr leben, und ihr Lover ebenfalls nicht.
Orry Stone übereilte nichts. Nachdem seine erste Hasswelle abgeklungen war, ging er methodisch vor. Er fing an, Janet und ihrem Lover nachzuspionieren. Unsichtbar drängte er sich in ihr Leben hinein.
Da der Typ kein großes Licht in der Botschaft war, hatte er auch keine Leibwache.
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