158 - Die Seele aus dem Zwischenreich
deshalb würde er es beenden - so oder so.
Er hatte sich eine lange Holzstange besorgt und unter der Hütte versteckt, in die man ihn eingewiesen hatte. Er war kein Stabhochspringer, wußte nicht einmal genau, wie man das machte. Ihm war nur klar, daß es ihm gleich beim ersten Versuch gelingen mußte, denn Zeit für eine Wiederholung würde nicht sein.
Kam er nicht über den Stacheldraht, war alles verloren. Schaffte er die Hürde, bestand wenigstens die theoretische Möglichkeit, fortzukommen.
Jenseits der Umzäunung gab es Gruben und Fallstricke, denen er ausweichen mußte, und die Pfeile der Wächter würden ihm um die Ohren pfeifen.
Wer all das heil überstehen sollte, brauchte eine Waggonladung voll Glück. Ob Dru dieses Riesenglück haben würde, würde sich in Kürze herausstellen.
Er setzte sich neben der Hütte auf den Boden. Die Wachen schauten vom Turm herunter, wandten aber bald wieder ihren Blick von ihm ab.
Dru wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als er die Stange unter der Hütte hervorholen wollte, vernahm er knirschende Schritte. Er setzte sich sofort wieder gerade und versuchte so harmlos wie möglich auszusehen.
Der Leiter des Höllencamps - Yotephats ergebener Diener - erschien. Sterling Drus Herz krampfte sich unwillkürlich zusammen. Jachedran, so hieß der Leiter, war grausamer als der Teufel selbst. Das wurde im Lager nicht nur behauptet, Dru hatte es selbst schon gesehen. Jachedran war heimtückisch und unberechenbar. Man mied es besser, ihm zu begegnen, weil man nie wissen konnte, was ihm in den Sinn kam. Der Haß, mit dem er die guten Seelen verfolgte, glühte deutlich sichtbar in seinen Augen. Er trug Lederstiefel und weiches Rauhleder, Dru hatte ihn noch nie ohne Peitsche gesehen.
Jachedran holte blitzschnell aus und schlug zu. Dru stöhnte auf.
»Was hast du hier draußen zu suchen?« fragte der Leiter des Camps schneidend. »Warum bist du nicht bei den anderen in der Hütte?«
Sterling Dru erhob sich rasch. Der Schmerz verebbte nur sehr langsam. Am liebste hätte sich Dru auf den verhaßten Gegner gestürzt, aber darauf schien Jachedran zu warten. Jeder, der das versuchte, mußte unverzüglich sterben.
»Ich gehe sofort hinein«, erwiderte Dru unterwürfig.
»Du kommst mit mir!« befahl Jachedran.
Dru wurde blaß. Hatte sich der Campleiter entschlossen, seine Seele zu verbrennen?
»Ich werde mich nie mehr vor die Hütte setzen!« versprach Dru hastig.
Ein neuerlicher Peitschenhieb traf ihn. »Mitkommen!« schnauzte ihn Jachedran an. »Oder willst du den Wölfen vorgeworfen werden?«
Sterling Dru ging mit ihm. War die Chance, einen Fluchtversuch zu unternehmen, vertan?
In Jachedrans Blockhaus mußte Dru dem Campleiter helfen, die Stiefel auszuziehen. »Wie ist dein Name?« wollte Jachedran wissen, »Sterling Dru.«
»Hast du Freunde unter den Gefangenen?«
»Einige«, antwortete Dru.
»Vertrauen sie dir?«
»Ja«, erwiderte Dru.
»Ich möchte, daß du sie für mich bespitzelst«, sagte Jachedran. »Sowie du hörst, daß einer einen Fluchtversuch plant, kommst du zu mir und meldest es. Du weißt, daß alle, die sich in diesem Camp befinden, früher oder später sterben müssen. Ich könnte für dich die Freilassung erwirken. Wenn du mich mit guten Informationen belieferst, so daß ich mit deinen Spitzeldiensten zufrieden sein kann, werde ich Yotephat bitten, dich auf die Welt zurückkehren zu lassen. Er wird mir diese Bitte nicht abschlagen.«
Dru war davon überzeugt, daß Jachedran ihn belog. Dieser Satansbraten wollte ihn nur ködern. Nie würde er zu seinem Wort stehen.
Wenn es soweit ist, muß ich genauso sterben wie die anderen, dachte Dru. Aber nicht nur deshalb kommt es für mich nicht in Frage, für Jachedran den Spitzel zu spielen.
»Nun, was sagst du dazu?« erkundigte sich der Campleiter.
Sterling Dru nickte sofort, er überlegte nicht lange. »Ich mache es.« Jachedran grinste zufrieden. »Du bist sehr klug, denkst zuerst an dich. So ist es richtig. Mich interessiert alles. Wie die Gefangenen über mich denken, was sie über Yotephat reden, was sie im geheimen planen.«
»Du wirst es von mir erfahren«, versprach Dru.
Die Peitsche pfiff auf ihn zu. Er zuckte zusammen und verzog das Gesicht, aber Jachedran konnte damit hervorragend umgehen. Er riß sie im letzten Augenblick zurück, so daß sie den Gefangenen nicht traf.
»Sollte ich nicht bald von dir hören, bekommst du meine Peitsche zu spüren, damit du dich mehr anstrengst«, sagte der
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