1584 - Seelenlos
würde.
Wahrscheinlich konnte sie nichts anderes tun, als auf ihren Freund John Sinclair zu warten. Das würde noch dauern. Ihn anzurufen versuchen hatte auch keinen Sinn, denn im Flieger mussten die Handys ausgeschaltet werden.
Also warten. Und das mit dem Gefühl, dass sich ein veränderter Alex Nicolic in ihrer Nähe aufhielt und sie quasi überwachte.
Sie gab das Telefon der Bedienung und wollte sich noch etwas frisches Obst holen. Die Ananasstücke hatten gut ausgesehen, und auch einen Tomatensaft wollte sie noch trinken.
Jane war schon im Begriff, sich zu erheben, als ihr Blick zur Tür fiel, die genau in diesem Moment geöffnet wurde.
Eine junge Frau betrat den Frühstücksraum. Sie ging sehr langsam, schaute sich um, und Jane sah, dass ihr Gesicht recht blass war. Die halblangen braunen Haare fielen ihr in die Stirn. Ihre blassen Augen erschienen Jane ein wenig blicklos.
Die Frau trug ein braunes Sommerkleid, das in der Taille von einem hellen Gürtel umschlungen war. Sie ging zu einem leeren Tisch und ließ sich daran nieder.
Das alles geschah mit langsamen Bewegungen wie bei einer alten Frau, die Mühe hatte, ihre rheumatischen Glieder ohne Schmerzen zu bewegen.
Jane runzelte die Stirn. Wie diese Person sich benahm, das war nicht normal. Etwas musste sie bedrücken, und als die Bedienung zu ihr trat und etwas fragte, schüttelte sie nur den Kopf.
Jane hatte sich etwas zur Seite hin gesetzt und saß jetzt so, dass sie die Person im Blick hatte, ohne selbst gesehen zu werden. Sie wartete darauf, dass etwas geschah.
Etwa für die Dauer von einer Minute blieb die Frau reglos auf ihrem Stuhl sitzen und wirkte dabei gedankenverloren. Dann gab sie sich einen Ruck, stand auf und ging auf das Büfett zu. Dabei achtete sie darauf, keinen der anderen Gäste anzuschauen.
Die Detektivin empfand dies als sehr ungewöhnlich. Die junge Frau schien Probleme zu haben.
Entweder waren sie normal oder aber es gab einen anderen Grund, und der konnte vielleicht mit dem zusammenhängen, was in der vergangenen Nacht passiert war.
Die Frau erreichte den langen Tisch und blieb davor stehen. Den Blick hatte sie gesenkt. Es sah so aus, als wäre sie dabei, etwas auszusuchen, wobei sie sich nicht entscheiden konnte.
Jane ging zu ihr. Da sie dicht neben der Frau stehen blieb, konnte diese nicht anders, als ihr einen Seitenblick zu gönnen, was Jane mitbekam.
Sie lächelte.
»Hi«, sagte sie.
Die Frau nickte nur.
»Wenn ich etwas vorschlagen kann, dann ist es…«
»Bitte, was haben Sie gesagt?«
»Ich wollte Ihnen eine Vorschlag machen, was hier besonders gut schmeckt.«
»Was denn?«
»Das Obst ist sehr frisch.«
»Und weiter?«
»Alles andere kann ich auch nur empfehlen.«
»Danke.« Die Frau drehte sich zur Seite und nahm sich einen Teller vom Stapel.
Jetzt wäre es für Jane eigentlich an der Zeit gewesen, zu verschwinden. Davon nahm sie Abstand, denn die Frau interessierte sie immer mehr. Ihr Verhalten wies auf etwas hin, das Jane unbedingt herausfinden wollte. Auch wenn sie schon satt war, füllte sie noch etwas Joghurt in die Schale und einige Himbeeren darauf.
Beide schlugen der Weg zu ihren Tischen ein. Jane entschloss sich, forsch zu sein. Sie ging nicht zu ihrem Tisch, sondern blieb an der Seite der Frau.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Die Frau schaute sie an. Sehr intensiv sogar. Jane sah die Farbe der Auge aus der Nähe und stellte fest, dass darin ein Schimmern lag, was nicht normal war.
»Wenn Sie wollen…«
»Danke.« Jane nahm Platz, nickte der Frau zu und stellte sich vor. »Ich heiße Jane Collins.«
»Und ich Julia Marin.«
»Schweizerin?«
»Ja, ich komme aus Schaffhausen.«
»Ah, vom Rheinfall.«
»So ist es.«
Ihre Antworten blieben einsilbig. Das änderte sich auch nicht, denn Julia Marin konzentrierte sich auf ihr Essen.
Jane aß zwar auch, doch sie ließ ihre Nachbarin nicht aus den Augen, die ihre Arme sehr langsam und fast roboterhaft bewegte. Es war ihr anzusehen, dass sie die Nahrung einfach nur zu sich nahm, mit den Gedanken aber nicht bei der Sache war. Zudem stierte sie fast vor sich hin.
Jane versuchte das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Sie wollte unbedingt mehr wissen.
»Sie sind allein hier?«
Julia nickte.
»Ich auch. Allerdings komme ich aus London und habe hier ein Treffen.«
»Ich nicht.«
»Darf ich neugierig sein und fragen, weshalb Sie nach Basel gekommen sind?«
Julia Marin runzelte die Stirn. »Ich bin auf der Suche nach einem
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