1587 - Midnight-Lady
gab.
Justine Cavallo, die man fast als eine Halbvampirin bezeichnen konnte, versank wieder in eine Welt, die ein Mensch niemals würde begreifen können. Sie war auf dem Trip, um sich zu sättigen, und bei jedem Saugen zuckte so etwas wie ein Freudenstoß durch ihren Körper.
Es dauerte nicht lange, da floss das Blut langsamer. Justine löste ihre Lippen vom Hals der Blonden. Sie ließ auch den Kopf los, der auf den Boden prallte.
Es war getan. Die MidnightLady würde aus dieser Frau keinen Tropfen Blut mehr saugen können.
Gelassen richtete sich die Cavallo auf. Mit dem Handrücken fuhr sie über ihre Lippen und wischte das Blut ab, das auf der Haut einen rötlichen Schmierfilm zurückgelassen hatte.
Sie horchte in sich hinein, ob sie satt war. Nein, noch lange nicht. Das letzte Mal lag einfach zu weit zurück, als dass sie auf die zweite Mahlzeit hätte verzichten können.
Diese Frau hatte dunkle Haare. Sie lag auf dem Rücken und hatte nichts von dem mitbekommen, was sich neben ihr abgespielt hatte.
Wenig später reagierte sie ebenfalls nicht, als sich Justine dicht neben ihr niederließ.
»Jetzt bist du an der Reihe, Süße. Und dann wird es mir wieder blendend gehen.«
Sie erhielt keine Antwort. Damit hatte sie auch nicht gerechnet. Dieses Sprechen hatte mehr ihr selbst gegolten, und sie senkte jetzt den Kopf, um sich den Hals an der linken Seite ihres Opfers anzuschauen.
Auch dort hatte Selma Blair ihre Zeichen hinterlassen. Zwei Wunden, die dicht nebeneinander lagen.
Justine beugte sich erneut nieder. Und wieder hob sie den Kopf ihres Opfers an und legte ihn so, dass sie den perfekten Biss ansetzen konnte.
Er war für sie wie ein herrlicher Traum, der in Erfüllung gegangen war.
Sie konnte saugen, und niemand störte sie.
Ob die Frau noch atmete oder nicht, das war nicht festzustellen. Sie gab eigentlich gar nichts mehr von sich und schien nur darauf zu warten, die Zähne in ihrem Hals zu spüren.
»Keine Sorge, Süße, es ist gleich so weit.«
Justine dachte an nichts anderes mehr.
Nicht daran, dass sie mit normalen Menschen zusammenlebte.
Jetzt und hier gab es nur diesen Urtrieb der Blutsauger.
Kräftig biss sie zu!
***
Vom Nacken her rann ein Schauer über meinen Rücken hinweg, denn diese Geräusche kannte ich nur zu gut. Ich überwand meine sekundenlange Starre, ging noch einen Schritt vor und blieb dann am Rand der Luke stehen.
Das Licht musste in einem Verlies brennen. Kerzenflammen, die sich leicht bewegten, spendeten es, sodass sich auf den Stufen einer kurzen Treppe ein unruhiges Muster ausbreitete.
In mir war der Druck zu spüren, den ich eigentlich nicht gewollt hatte.
Dass sich dort unten jemand aufhielt, der das Blut eines Menschen saugte, stand für mich fest. Damit hatte ich zudem öfter zu tun. Mir ging es einzig und allein um diese Person, die dort unten ihrem unseligen Trieb nachgab, und sie war ausgerechnet meine Begleiterin, mit der zusammen ich einen Fall aufklären wollte.
In diesen entsetzlich langen Augenblicken kam mir wieder einmal deutlich zu Bewusstsein, mit wem ich es zu tun hatte.
Justine Cavallo war wirklich kein Mensch mehr. Hin und wieder hatte ich das im Eifer des Gefechts vergessen. Umso brutaler wurde ich nun einmal mehr daran erinnert, und das war kein Spaß mehr.
Was sollte ich tun?
Ich wusste es. Und es würde mir nicht leicht fallen. Ich war es gewohnt, Wiedergänger zu vernichten, wenn ich einen dabei erwischte, dass er das Blut eines Menschen trank.
Und jetzt?
Mein Atem löste sich als Keuchen aus meinem Mund. Kalt rieselte es meinen Rücken hinab. Ich erlebte so etwas wie ein irres Gefühl. Ich war plötzlich zu einer Person geworden, die am Scheideweg stand, aber ich musste in diesem Fall weiter denken.
Justine Cavallo konnte für mich in der Zukunft so etwas wie eine Unterstützung bedeuten. Es stand uns unter anderem der große Kampf gegen Dracula II bevor, und da war ich eben gezwungen, über meinen eigenen Schatten zu springen.
Ich musste mir schon einen Ruck geben, um über die wenigen Holzstufen in den Keller zu steigen. Jeder Schritt fiel mir schwer. In den Knien spürte ich ein leichtes Zittern, und als ich nur noch die letzte Stufe vor mir hatte, war mein Blick frei.
Ich sah genau das, was ich erwartet hatte.
Mir fielen zwei Frauen auf. Eigentlich waren es drei, die sich im Licht der Kerzen abzeichneten.
Justine Cavallo interessierte mich im Moment nicht so sehr.
Ich wollte mehr Licht haben und nahm meine kleine Lampe zu
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