1587 - Midnight-Lady
Augen offen und schaute mich aus ihrer liegenden Position an.
»Was wollen Sie? Wer sind Sie?«
»Ich heiße John Sinclair.«
»Gut. Ich bin Martha Tresko…« Sie stöhnte auf. »Gehört dieses verdammte Weib mit den blonden Haaren zu Ihnen?«
»Irgendwie schon.«
»Schicken Sie sie zur Hölle.«
Ich hob die Schultern. »Das ist nicht so leicht.«
»Sie hat mich niedergeschlagen!«
»Ich weiß. Seien Sie froh darüber.«
Martha Tresko bewegte sich nach meiner Antwort etwas zu heftig. Dann stieß sie mir einen scharfen Atemzug entgegen.
»Wie können Sie so etwas sagen!«
»Es hätte Ihnen auch etwas anderes geschehen können, Mrs. Tresko. Dann wären Sie mit den beiden Frauen zu vergleichen gewesen, die unten in Ihrem Keller liegen. Sie wissen, wovon ich spreche. Und sie wissen auch, was ich damit meine.«
»Meinen Sie, ich hätte sie dorthin geschafft?«
»Das weiß ich nicht. Aber wäre es falsch gedacht, wenn ich Sie als Helferin einer bestimmten Person ansehe?«
Sie schwieg und schloss die Augen. Das Thema schien ihr unangenehm zu sein.
Ich ließ sie aber nicht in Ruhe.
»Mir geht es um Selma Blair, die MidnightLady.«
»Hauen Sie ab! Und nehmen Sie den blonden Teufel gleich mit. Ich will allein sein.«
»Und auf Selma warten?«
»Leckmich…«
Sehr angenehm war es nicht, sich mit ihr zu unterhalten. Aber ihre Position war eben eine andere als meine. Ich musste ihren Panzer brechen, der sich unsichtbar um ihren Körper gelegt hatte. Nur sie konnte uns mehr über Selma Blair sagen.
Zunächst wurde ich abgelenkt. Von der Kellertreppe her hörte ich polternde Geräusche, und wenig später erschien der Kopf von Justine Cavallo.
Martha Tresko lag so, dass sie ihn ebenfalls sah. Trotz ihres Zustands fing sie an zu schreien. Es war zu hören und auch zu sehen, welch ein Hass in ihr steckte. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihre Stimme überschlug sich.
Davon ließ sich die Cavallo nicht beirren. Sie war nicht allein die Stufen hochgekommen. Es war ihr gelungen, die Ketten zu lösen, und jetzt schleppte sie die beiden Frauen mit hoch. Es war bei ihren Kräften kein Problem.
Die Blonde hielt sie mit der linken Hand fest, die Schwarzhaarige mit der rechten. Sie musste noch die letzte Stufe überwinden, dann stand sie im Raum. Ihre Finger hatten sich in den Haaren verkrallt, und so waren die Körper auch in die Höhe gezogen worden.
Jetzt ließ Justine die beiden los. Sie fielen auf den Rücken und blieben reglos liegen.
Martha Tresko sagte nichts. Auch Justine hielt den Mund. Sie ließ den Anblick einfach wirken. Es war ihr Auftritt gewesen.
Auch ich hielt mich zurück, und es war nur das schwere Atmen von Martha Tresko zu hören.
»Wo finde ich den Lichtschalter?«, fragte Justine.
Ich hatte ihn schon gesehen und antwortete: »Er ist links neben der Tür.«
»Wunderbar.« Sie ging hin und musste einen altmodischen Schalter drehen, der ein klickendes Geräusch abgab.
Unter der Decke hing eine Schalenlampe. Sie passte zur sonstigen Einrichtung. Das gelbliche Glas der Schalen sorgte nicht eben für eine starke Helligkeit. In unserem Fall war sie ausreichend, denn Martha und ich konnten sehen, was mit den beiden Frauen geschehen war.
Ich brauchte mein Kreuz oder eine geweihte Silberkugel nicht einzusetzen.
Die Aufgabe hatte Justine Cavallo übernommen, und sie war damit ihrem Grundsatz treu geblieben.
Sie gehörte zwar auch zu den Wiedergänger und musste Menschenblut trinken. Aber sie wollte nicht, dass ihre Opfer ebenfalls zu Blutsaugern wurden, und deshalb vernichtete sie diese. Oder besser gesagt, erlöste sie von ihrem Fluch.
Das hatte sie auch mit den beiden Frauen getan. Da sie auf dem Rücken lagen, sahen wir genau, was Justine mit ihnen angestellt hatte. Sie waren gepfählt worden.
Womit sie das getan hatte, war nicht festzustellen. Aber in Höhe ihrer Herzen waren die Einstichstellen zu sehen. Da waren die Herzen der beiden Unpersonen durchbohrt worden.
»Du hast keine Probleme mehr mit ihnen, Partner.«
Ich schluckte meinen Ärger hinunter, denn das Wort Partner stieß mir ziemlich sauer auf.
Martha konnte es kaum glauben. Trotz ihrer sicherlich starken Kopfschmerzen richtete sie sich auf. Aus ihrem offenen Mund drang ein leises Röcheln.
»Du kannst sie jetzt normal begraben, wenn du Lust hast«, erklärte die Cavallo. »Es sind keine Vampire mehr. Es werden auch keine mehr werden. Ich habe dafür gesorgt.« Sie breitete die Arme aus und erinnerte an eine Schauspielerin
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