1587 - Midnight-Lady
untertrieben war, denn wir hatten es hier mit einem kleinen Schloss zu tun.
Es lag zwar in der Dunkelheit, aber es selbst war nicht unbedingt dunkel.
Nicht wenige Fenster waren erleuchtet, und nahe der Eingangstür brannten ebenfalls zwei Lampen. Ihr Schein reichte bis auf den Platz vor dem Haus, wo etwa ein Dutzend Autos abgestellt waren. Ob noch ein Weg um das Haus herumführte, das sahen wir nicht. Es war allerdings nicht auszuschließen.
Der Boden dort war nicht glatt und asphaltiert. Der Rover schaukelte wieder ziemlich.
Ich hatte weiterhin auf das Licht verzichtet, ließ den Rover schließlich neben einem Sportwagen ausrollen und stellte den Motor ab.
Jetzt senkte sich die Stille über uns.
Eine äußere Stille, über die ich mich schon wunderte. Im Haus schien sich nichts zu rühren. Wie in einer Kaserne schien hier zu einer gewissen Zeit Zapfenstreich zu sein. In manchen Internaten wurde eben noch ein strenges Regiment geführt.
Justine und ich schauten uns an.
Die Vampirin lächelte, bevor sie fragte: »Na, hast du was entdeckt?«
»Nicht die Bohne. Sieht mir alles normal aus.«
»Das täuscht.«
»Ha, dann weißt du mehr!«
»Ich glaube schon.«
»Und was hast du gesehen?«
»Nichts, Geisterjäger. Ich habe nur etwas gespürt. Und dem werde ich nachgehen.«
»Was heißt das im Klartext?«
»Ganz einfach. Das heißt, dass wir uns trennen werden. Ich werde meinen eigenen Weg gehen. Hier draußen lauert etwas, auch wenn es sich nicht so offen zeigt.«
»Fledermäuse?«
»Genau die.«
Ich hob die Schultern. »Wie du meinst. Ich habe keine gesehen.«
»In Bewegung ich auch nicht. Aber sie sind da. Sie halten sich nur verborgen. Vielleicht kann ich sie locken. Sie und ich, da soll es ja Gemeinsamkeiten geben, wie du schon sagtest.«
»Ja.«
Sie öffnete die Wagentür.
»Viel Spaß in der Schule. Wir werden uns bestimmt sehen.«
Mehr sagte sie nicht. Sekunden später war sie in der Dunkelheit verschwunden.
So war es fast immer mit ihr. Auch wenn wir zusammen das Ziel erreicht hatten, hieß das noch lange nicht, dass wir auch gemeinsam vorgehen würden. Mir war das in diesem Fall nur recht, denn eine Justine Cavallo war nie unter Kontrolle zu halten. Sie war unberechenbar.
Auch ich stieg aus und lauschte, als ich neben dem Rover stand. Da war nichts zu hören. Mich umgab eine völlig normale nächtliche Stille.
Ich ging dorthin, wo ich einen besseren Überblick hatte. Dann lag die gesamte breite Front des Internats vor mir. Eine dunkle Fassade, die nur dort einen leicht goldenen oder gelben Schein erhalten hatte, wo das Mauerwerk vom Licht aus den Fenstern unterbrochen wurde.
Unter meinen Sohlen knirschten kleine Steine, als ich mich dem Eingang näherte. Ob man mich bereits entdeckt hatte, wusste ich nicht. Ich sah auch keine Kameras am Mauerwerk, die die Umgebung vor dem Eingang beobachtet hätten.
Eine Treppe führt nicht hoch. Vor der Tür gab es wohl eine breite Steinplatte, die wie ein Ponton wirkte, der in einem ruhigen Gewässer lag.
Es gab natürlich eine Klingel, doch ich verzichte darauf, mich auf diese Weise anzumelden, denn ich hatte sofort bemerkt, dass die breite Tür, beinahe schon ein Tor, einen Spalt offen stand.
Im Nächsten Moment schwang sie auch schon wie von Geisterhand betätigt nach innen.
Ein hoch gewachsener Mann mit Stiernacken und glatten, straff nach hinten gekämmten Haaren mit roten Haarsträhnen, die im Licht der Innenleuchte leicht fettig glänzten, starrte mich an. In seinem kantigen bleichen Gesicht zogen sich die buschigen Augenbrauen zusammen.
»Was wollen Sie? Um diese Zeit empfangen wir keine Besucher mehr. Auch keine Eltern. Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall, aber der liegt wohl nicht vor.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sagen Sie Ihren Namen und…«
Den sagte ich nicht. Dafür zog ich meinen Ausweis hervor. Das Licht reichte aus, um ihn die Schrift lesen zu lassen. Als er feststellte, dass es sich um einen Dienstausweis handelte, da wich er einen kleinen Schritt zurück.
»Scotland Yard?«
»So ist es.«
»Und was ist passiert? Was wollen Sie hier?«
»Das werde ich Ihrem Chef sagen.«
»Wir haben eine Chefin.«
»Auch gut. Melden Sie mich bei ihr an.«
Er zögerte noch, was mich ärgerte.
»Machen Sie schon, ich habe nicht endlos Zeit«, knurrte ich ihn an.
Der Mann verschwand nicht. Er ging nur zur Seite und holte ein Handy hervor. Während er die Verbindung herstellte, betrat ich den Raum hinter der Tür.
Wie weit
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