1588 - Das Horror-Grab
nur Vermutungen anstellen.
Weit hatten wir zum Glück nicht zu fahren. Wenn diese Klara Wellmann etwas unternehmen wollte, dann musste sie sich beeilen. Zuzutrauen war ihr allerdings alles.
Wir fanden einen freien Parkplatz unweit des Hauses. Beide sagten wir beim Aussteigen kein Wort. Unsere Gesichter zeigten an, wie konzentriert wir waren.
Einige Windstöße wirbelten unsere Haare durcheinander. Blätter flogen durch die Luft. Nur wenige Menschen hatte es nach draußen getrieben, zumeist Kinder oder Jugendliche.
Einige Male wurden wir angemacht, was wir einfach überhörten. Mit schnellen Schritten näherten wir uns dem Haus, dessen Eingangstür offen stand. Ein kleines Mädchen lehnte dagegen und wischte dabei Tränen aus ihren Augen. Als die Kleine uns sah, streckte sie uns die Zunge heraus.
Ich wusste selbst nicht, weshalb ich vor der Kleinen stoppte und sie etwas fragte. Es konnte so etwas wie Mitleid gewesen sein, ich wusste es nicht.
»Wer hat dir denn etwas getan?«
Es konnte Zufall gewesen sein, dass ich ausgerechnet die Tonart getroffen hatte, auf die sie abfuhr.
»Keiner.«
»Und trotzdem weinst du?«
»Ja.«
»Willst du mir nicht den Grund sagen?«
»Ich habe eine Hexe gesehen!« Ein Satz aus Kindermund, über den man normalerweise gelächelt hätte. Ich tat das nicht, und Suko verhielt sich ebenso ernst, als er näher kam. »Eine Hexe?«
»Ja, und keiner will mir glauben.«
»Wir schon. Wo kam sie denn her, und wie sah sie aus?«
Das Mädchen schüttelte sich, bevor es antwortete. »Von oben kam sie. Die Treppe runter. Ich stand ihr im Weg. Da hat sie mich einfach gegen die Wand geschleudert.«
»Das gehört sich nicht.«
»Meine ich auch.«
»Und warum denkst du, dass sie eine Hexe war?«
Die Kleine verzog das Gesicht. »Weil sie so hässlich war.« Sie nickte.
»Ja, die war so hässlich. Die hatte ein schlimmes Gesicht. Eine richtige Fresse.«
Ich schrak schon leicht zusammen, als ich die Worte hörte. Es war zwar keine detaillierte Beschreibung, aber irgendwie schien sie der Wahrheit nahe zu kommen.
»Sie war hier«, sagte Suko.
»Ja, bei Fleming.« Ich wandte mich wieder an die Kleine. »Und wann hast du sie gesehen?«
Das Kind zog die Nase hoch und danach seine Schultern. »Das ist noch nicht lange her. Mir tut jetzt noch der Kopf weh, wo ich gegen die Wand geschlagen bin.«
»Das tut mir leid.«
»Willst du sie fangen?«
Ich lächelte. »Mal sehen.«
Die Zeit drängte jetzt. Wir hatten zwar keine genaue Antwort erhalten, aber wir wussten jetzt, dass diese Klara hier im Haus gewesen war.
Zudem war sie aus einer oberen Etage gekommen. Das konnte nur bedeuten, dass sie ihrem Freund einen Besuch abgestattet hatte.
Suko eilte bereits vor mir die Stufen hoch. Wir mussten nicht bis nach ganz oben, auf der ersten Etage blieben wir vor einer der beiden Türen stehen, auf der wir den Namen Fleming lasen.
In unserer Umgebung passierte nichts. Es gab keinen Hinweis auf einen schrecklichen Vorgang, aber wir trauten beide der Stille nicht, die wir als belastend empfanden.
Es gab keine normale Klingel, und Suko tat das, was in diesem Fall nötig war. Er klopfte gegen die Tür. So stark, dass sie leicht zitterte.
Es war keine Reaktion zu hören.
Suko schaute mich an. »Ich denke, wir brechen die Tür auf. Wir müssen in die Wohnung.«
Der Meinung war ich ebenfalls, riet Suko aber, es noch mal zu versuchen.
Er tat es, auch wenn sein Gesichtsausdruck dagegen sprach. Und womit wir kaum gerechnet hatten, trat ein.
Nachdem die Klopfechos verklungen waren, hörten wir hinter der Tür ein Geräusch, das uns zwar nicht gefallen konnte, aber so etwas wie Hoffnung in uns aufkeimen ließ.
Es war ein tiefes Stöhnen.
»Fleming?«, rief ich.
»Ja, ich bin hier.«
»Öffnen Sie.«
»Moment. Mir geht es nicht gut.«
»Wir warten.«
Hinter uns wurde die andere Tür geöffnet. Eine barsche Stimme ließ uns herumfahren.
»He, was soll das?«
Ein muskelbepackter Typ starrte uns an, der eine Jogginghose und ein hellblaues Netzhemd trug. Sein Gesicht war von Bartstoppeln überwuchert.
Seine Lippen schimmerten feucht, und der Blick der Augen war recht verschlagen.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Suko. »Gehen Sie wieder zurück in Ihre Wohnung.«
Der Vorschlag passte ihm nicht. »Wann ich das tue, bestimme ich, du verdammter Chinese. Ist das klar?«
»Ja. Aber in diesem Fall sollten Sie eine Ausnahme machen.«
Genau das wollte er nicht. Er kam einen Schritt vor und wollte auch den
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