1588 - Das Horror-Grab
zweiten gehen, als er stehen blieb, weil Suko blitzschnell seinen Ausweis gezogen hatte und ihm so hinhielt, dass der Typ nicht daran vorbeisehen konnte.
»Was soll das denn sein, verdammt?«, knurrte er.
»Scotland Yard«, sagte Suko nur.
Der Typ war überrascht. Aber es sah nicht danach aus, als ob er sich von Sukos Worten beeindrucken lassen würde. Möglicherweise hatte er auch Probleme, den Ausweis zu lesen. Er schüttelte den Kopf. Ich trat an Sukos Seite. »Es ist wirklich besser, wenn Sie wieder in Ihre Wohnung gehen.«
»Bist du auch ein Bulle?«
»Sicher.«
»Komm jetzt, Walter!«, rief eine Frauenstimme. »Das Essen brennt an.«
Walter überlegte zwar, war aber dann so schlau, sich in seine vier Wände zurückzuziehen, auch wenn er sich weiterhin lautstark über die Störung beschwerte.
Ich klopfte wieder gegen die Tür und erhielt auch eine Antwort.
»Ja, es ist schon okay. Ich öffne.«
Sekunden später wurde die Tür tatsächlich von innen aufgezogen. Nicht normal. Sehr langsam. Fleming schien Probleme zu haben. Wir hörten ihn erneut keuchen, und das war bestimmt nicht gespielt.
Wir traten ein.
Victor Fleming hielt sich an der Türklinke fest und hatte es geschafft, an der Wand eine Stütze zu finden. Er sah aus wie gerädert. Sein Gesicht zeigte allerdings keinen ängstlichen Ausdruck, sondern einen schmerzerfüllten.
Suko hielt ihn fest, damit der Mann nicht zusammensackte.
Fleming flüsterte etwas, das nicht zu verstehen war. Suko half ihm beim Gehen. Er schob ihn in den Wohnraum, und ich schloss die Tür. Dann hielt ich Ausschau nach der Küche, fand sie auch und kehrte mit einem gefüllten Wasserglas zu den beiden zurück.
Suko hatte den Mann auf die alte Couch gesetzt. Flemings rechte Hand lag an seinem Hinterkopf. Ich sah nicht, was sich dort gebildet hatte, ging allerdings davon aus, dass es sich um eine Beule handelte.
Das Wasser nahm Fleming dankbar entgegen. Als er trank, schielte er uns an. Schließlich war das Glas leer, und er stellte es wieder weg. Dann sagte er: »Ich dachte schon, dass ich den Tag nicht überlebe. Das war schlimm.«
»Was war schlimm?«, fragte ich.
»Klara.«
»Und?«
»Ich glaubte, dass sie mich umbringen wollte, aber das hat sie sich wohl überlegt.«
»Und was ist wirklich passiert?«, fragte Suko.
Victor Fleming überlegte. Dabei zuckten seine Lippen. Er starrte auch ins Leere. Die Hand hatte er von seinem Hinterkopf gelöst, sodass jetzt die Beule zu sehen war, die dort wuchs.
»Sie war es.«
»Und weiter?«
Er lachte, dann senkte er den Kopf und stöhnte leise auf, weil der Schmerz aufzuckte. Danach sprach er mit leisen und stockenden Worten.
Wir mussten uns schon anstrengen, um ihn überhaupt verstehen zu können.
Allmählich bekamen wir ein Bild von dem, was hier geschehen war.
Der Mann hatte seine Freundin in ihrer Zweitgestalt erlebt, und er hatte davon mussten wir ausgehen - Glück im Unglück gehabt, denn es hätte für ihn auch anders kommen können.
Die Tarnung der Killerin war aufgeflogen. Da glich es schon einem kleinen Wunder, dass Fleming nicht getötet worden war. Möglicherweise hatten noch winzige Reste von menschlichen Gefühlen in dieser Person gesteckt.
»Und jetzt ist sie weg«, erklärte Suko.
Fleming ließ sich zurücksinken. Er verdrehte dabei die Augen. »Hoffentlich bleibt sie das für immer. Ich will sie nicht mehr hier sehen.«
»Sie wird sich hier sicher nicht wieder zeigen.«
»Ja, ja…«
»Aber wir würden gern wissen, wohin sie gegangen ist«, sagte Suko.
»Können Sie uns dabei helfen?«
Fleming lachte Suko an. »Wie kommen Sie denn darauf? Das hat sie mir nicht gesagt, und darüber bin ich mehr als froh.« Er blies die Luft aus.
»Ich will sie nicht mehr sehen. Ich kann bis heute nicht begreifen, dass sich ein Mensch so verändern kann. Darüber werde ich nicht hinwegkommen so lange ich lebe.«
»Und sie hat nie etwas über sich und ihre Vergangenheit erzählt?«, erkundigte ich mich.
»Niemals.«
»Sind Sie nicht misstrauisch geworden?«
»Nein, nein.«
»Das ist ungewöhnlich.«
Sein Blick erfasste mich. »Für Sie mag das so sein«, flüsterte er, »nicht aber für mich. Nein, das ist anders. Das können Sie nicht begreifen. Wir haben uns ineinander verliebt. Zumindest ich bin es gewesen. Was mit ihr war, das weiß ich nicht, und mir war auch egal, was sie früher getan hat. Ich habe nur sie gesehen. Klara war einfach wunderbar. Ich hatte nur Augen für sie. Ich habe sie angebetet,
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