1589 - Der steinerne Templer
schüttelte einige Male den Kopf, was Voltaire natürlich auffiel. »Was ist denn los?«
»Nichts.«
Er lachte. »Du wunderst dich über meine Fahrerei.«
»Genau.«
»Nur so kann man weiterkommen. Wenn man versucht, defensiv zu fahren, ist man verloren.«
»Klar, du bist der Fachmann.«
»Das will ich auch hoffen.«
Einmal wäre uns fast ein Lieferwagen ins Heck gefahren. Der Fahrer fluchte wild, was den Kommissar nicht störte. Er lachte nur und meinte: »Gleich hast du es hinter dir, John.«
»Das hoffe ich stark.«
Wir bogen in eine Straße ein, die so aussah wie viele andere auch, die wir durchfahren hatten. Rechts und links wuchsen die Hausfronten in die Höhe und an beiden Seiten gab es keine Lücke, in die der kleine Renault Twingo hineingepasst hätte.
Voltaire deutete nach rechts. »Da ist es.« Er trat auf die Bremse.
Ich schüttelte den Kopf.
»Willst du hier stehen bleiben?«
»Ja.«
»Aber…«
Er winkte ab. »Ich weiß, was du sagen willst. Vergiss es am besten. Hier kommt noch immer ein normales Fahrzeug vor bei. Ich kann auch das blaue Licht aufs Dach stellen.«
»Wie du meinst.«
Er tat es, damit ich beruhigt war.
Es war still um diese Zeit. Die meisten Leute gingen ihren Jobs nach, und auf dem Bürgersteig war kein Mensch zu sehen, abgesehen von einer alten Frau, die hingebungsvoll mit einem Besen das Pflaster fegte und darauf achtete, nicht in die aufgewirbelten Staubwolken zu geraten.
Das Haus, in dem wir Maurice Vidal hoffentlich antrafen, sah genauso aus wie alle anderen Häuser. Wir gingen auf die Tür zu, die natürlich geschlossen war.
Auch abgeschlossen?
Der Kollege umfasste den Griff und versuchte, ihn zu bewegen. Dabei rüttelte er an der Klinke, aber dann wurde die Tür plötzlich von innen mit einem Ruck aufgezogen.
Ein Mann schaute uns aus großen Augen an.
»Maurice Vidal«, flüsterte ich und war nicht wenig überrascht. »Das ist ein Ding!«
Er erwiderte nichts, schaute uns nur an, und es war zu sehen, wie die Furcht allmählich aus seinem Gesicht wich. Erleichterung machte sich darin breit.
»Kommen Sie rein.«
Das taten wir gern, und die Tür war kaum hinter uns zugefallen da sprach der Kommissar, der sich zunächst vorstellte, was Vidal beruhigte.
»Haben Sie auf uns gewartet?«
Vidal schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Ich sah keinen anderen Ausweg mehr.«
Voltaire lächelte. »Da sind wir aber gespannt.«
Er berichtete uns flüsternd mit wenigen Worten. Dabei schaute er immer wieder in die Höhe und schielte dabei auch zur Treppe.
Er hatte Besuch bekommen. Davon ging er jedenfalls aus. Und er hatte die beiden Männer nicht erkannt, aber er hatte sie die Treppe hoch gehen sehen und war davon überzeugt, dass sie sich jetzt in seiner Wohnung befanden.
»Zwei?«, fragte ich.
»Ja.«
»War einer von ihnen schon in der Tiefgarage dabei?«
»Nein.« Seine Schultern zuckten. »Aber das kann ich nicht so genau sagen, Monsieur Sinclair.«
»Schon gut, wir werden sehen.«
»Aber maskiert waren sie nicht.«
»Das haben Sie erkannt?«, fragte der Kommissar.
»Ja, da bin ich mir sogar sicher, denn so schlecht ist die Sicht nicht gewesen.«
Voltaire lächelte. »Okay, dann schauen wir mal nach. Bin gespannt, welche Überraschung uns erwartet.«
Er wollte schon auf die Treppe zugehen. Ich hielt ihn zurück.
»Bitte, monami, nimm die Gestalten nicht auf die leichte Schulter. Sie können höllisch gefährlich sein, denn ich glaube nicht daran, dass es normale Menschen sind. Das habe ich in der Tiefgarage erlebt.«
Er hob die Schultern. »Stecken in deinem Magazin nicht geweihte Silberkugeln?«
»Schon. Sie sind nur keine Überlebensgarantie.«
»Ist auch wieder wahr.«
Bisher war einiges geschehen, aber mir war der richtige Grund noch nicht klar, weshalb Vidal mich überhaupt in die Stadt an der Seine geholt hatte. Das wollte ich jetzt erfahren, denn so viel Zeit war noch.
Ich schaute Maurice Vidal an und sagte: »So, und jetzt möchte ich von Ihnen wissen, weshalb ich überhaupt hier bin.«
»Ja, gut.« Er nickte. »Es geht um Armand de Valois. Er ist der steinerne Templer.«
Da hatte ich die Antwort. Aber ich schaute ziemlich dumm aus der Wäsche.
»Ein Templer aus Stein?«
»Ja.«
»Und wo?«
»Hier in Paris, nur nicht offen zu sehen. Ein Relikt aus der Vergangenheit. Ein Templer, der in Vergessenheit geraten ist, der aber nicht vergessen werden sollte. Ich habe ihn gefunden. Leider nicht allein, denn ich weiß, dass es eine Gruppe
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