1589 - Der steinerne Templer
Umgebung kamm mir plötzlich ganz anders vor. Zwar war sie nicht eingefroren, aber man schien der Luft einen Teil der Wärme genommen zu haben, und mich interessierte, wie das hatte geschehen können. Es war jedenfalls alles anders als zuvor, auch wenn sich in meinem Blickfeld nichts verändert hatte.
Mir war klar, dass ich unter Beobachtung stand, und ich wollte aktiv werden, um die andere Seite aus der Deckung zu locken.
Das Kreuz gehörte zu mir wie das Messer zum Besteck. Ich entschloss mich zu einem Test. Zwar hatte es noch keinen Wärmestoß abgegeben, ich holte es trotzdem unter meiner Kleidung hervor.
Dabei zog ich an der Kette und ließ es über meine Brust in die Höhe rutschen.
Wenig später lag es auf meiner Hand. Ich streckte den Arm nach vorn wie jemand, der etwas auf eine besondere Weise präsentieren möchte.
Das war auch meine Absicht.
Die Stille um mich herum empfand ich wie eine Last. Sie war noch intensiver geworden.
Die Stimme blieb stumm. Ich hörte auch nichts von den anderen beiden Männern, die im Moment für mich auch nicht interessant waren. Der Unsichtbare zählte mehr.
Und er ließ mich nicht im Stich, denn plötzlich hörte ich die Stimme wieder. Dieses Flüstern schwang mir in Wellen entgegen. Ich glaubte sogar, so etwas wie Freude hervorzuhören.
»Ah, du hast es noch immer…«
Das war ein erneuter Beweis dafür, dass ich unter Kontrolle stand.
»Ja, wie du siehst. Wer immer du auch bist.«
»Ich kenne es.«
»Und weiter?«
»Ich habe es gehasst. Ja, ich habe es gehasst. Ich habe gelernt, es zu hassen, wie ich auch Hector de Valois gehasst habe. Alles drehte sich nur um ihn, denn er besaß das Kreuz. Er konnte seinen Weg gehen, und ich war derjenige, den man verachtete.«
»Warum tat man das? Bist du einen falschen Weg gegangen?«
»Nein, ich ging den richtigen. Ich habe lange überlegt und mich dafür entschieden, mir einen neuen Herrn zu suchen, der ebenfalls sehr mächtig gewesen ist.«
»Baphomet?«
»Ja, so heißt er.«
Ich lachte leise, und vielleicht hörte er den verächtlichen Unterton aus meiner Stimme heraus. »Der Dämon mit den Karfunkelaugen. Von abtrünnigen Templern geliebt und verehrt, aber nicht zu einer so mächtigen Größe herangewachsen, wie er es sich gewünscht hätte. Ich weiß auch, dass er einige Diener gehabt hat, die letztendlich den Kürzeren hatten ziehen müssen.«
Die Worte waren bewusst provokant gesprochen worden. Ich wollte, dass der Unsichtbare darauf reagierte, und den Gefallen tat er mir.
»Es sieht nur so aus. Baphomet ist nicht tot, und auch sein Erbe konnte nicht vernichtet werden. Viele haben es versucht, aber ich weiß, dass er noch da ist.«
»Wie du - oder?«
»Ja.«
»Aber als steinernes Wesen. Bewegungslos für alle Zeiten. So ist es doch.«
»Ja das denken die meisten. Aber sie irren sich. Es gibt mich noch. Ich habe nur auf meine Zeit gewartet, und die ist jetzt angebrochen. Ich habe es nicht geschafft, Hector de Valois zu vernichten, aber du weißt selbst, dass es ihn schon lange nicht mehr gibt. Auch sein silbernes Skelett nicht, das sich für dich und die Bundeslade geopfert hat. Ich bin noch da, ich habe die Geduld aufgebracht, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Ich will alles vernichten, was noch an ihn erinnert.«
»Und damit meinst du mich.«
»Ja.«
»Und das Kreuz?«, fragte ich, wobei ich mich von seinen Drohungen unbeeindruckt zeigte.
»Das werde ich verfluchen. Es soll nicht länger in deinen Händen sein. Der Anfang ist gemacht. Die Jagd ist eröffnet, und ich werde wie Phönix aus der Asche steigen und die Herrschaft übernehmen. Ich schaffe dem großen Baphomet feie Bahn, das kann ich dir versprechen.«
Er war noch immer nicht sichtbar. Ich musste davon ausgehen, dass bei ihm Körper und Geist getrennt waren. Dabei wusste ich nicht mal, ob sein Körper tatsächlich versteinert war oder man es nur als Legende ansehen musste.
Mir fielen die beiden Besucher wieder ein. Ich kam nicht direkt auf sie zu sprechen, weil ich dem Unsichtbaren eine Chance geben wollte, sich zu melden.
»Du bist nicht allein auf deiner Jagd, wie ich schon am eigenen Leib erlebt habe.«
»Ja, man unterstützt mich.«
»Und wer?«
»Es sind Wächter des Baphomet. Wesen aus dem dunklen Reich. Keine Menschen, die aber zu Menschen werden können. Sie beschützen auch mich. Es hat sie schon immer gegeben. Du hättest deinen Ahnen Hector fragen können. Er hat sie auch schon gekannt.«
Ich wollte noch etwas fragen,
Weitere Kostenlose Bücher