1589 - Der steinerne Templer
und eine braungrüne Parkajacke übergestreift.
»Wie geht es Ihrem Arm?«, fragte ich.
»Na ja, die Hand kann ich bewegen. Und die Schmerzen halten sich auch in Grenzen. Ich habe zwei Tabletten geschluckt. Mal sehen, wie lange die Wirkung anhält.«
Ich fühlte mich wie ein Lehrer, der seinen Schüler vor sich stehen hatte.
Mit eindringlicher Stimme sagte ich: »Jedenfalls bleiben Sie immer in unserer Nähe. Sollten wir in Gefahr geraten, werden Sie sich sofort zurückziehen.«
»Was glauben Sie denn? Die Begegnungen mit diesen schaurigen Wesen haben mir gereicht.«
Ich lächelte und sagte: »Das wollte ich nur hören.«
Danach machten wir uns auf den Weg.
Ich musste zugeben, dass ich mich schon mal besser gefühlt hatte.
Der Name de Valois entwickelt sich für mich allmählich zu einem Fluch….
***
Der Polizist mit dem Bart hieß Pierre. Er und sein Kollege Jean gehörten zu einem Revier im vierten Arrondissement, einer Gegend, die nicht eben zu den ruhigsten gehörte. Sie war kein Brennpunkt, aber doch ein Gebiet, das tagtäglich von Touristen überlaufen war. Die Insel und die Seine mit ihren bekanntesten Brücken lagen im Zentrum der Millionenmetropole. Das musste man einfach gesehen haben, wenn man als Tourist nach Paris kam.
Große Verbrechen passierten hier selten. Es ging hier meistens um Diebstahl, der an den Touristen verübt wurde. Deshalb hatte die Polizei hier auch ein besonderes Auge auf gewisse Typen, die manchem schon bekannt waren.
Den Job, den man ihnen jetzt aufgehalst hatte, dazu hätten sie keine Polizisten sein müssen. Sie sollten an der Südseite der Kathedrale herausfinden, ob es dort einen Einstieg gab, der in die Unterwelt der Kanalisation führte.
Beide Flies waren Männer, die sich auf der Insel recht gut auskannten, aber nach einem bestimmten Einstieg in die Kanalisation hatten sie noch nie suchen müssen. Allerdings mussten sie sich beeilen, wenn sie noch etwas sehen wollten, denn von Osten her würde sich bald der graue Teppich der Dämmerung über die Stadt schieben.
Jean rauchte eine Zigarette. Er hielt sie in der hohlen Hand. Beide Männer standen hinter der weltbekannten Kathedrale im Schutz der Gärten, die sich bis zum Ende der Insel hinzogen und sehr gepflegt waren. Hierher verirrten sich nicht viele Touristen, denn sie waren zumeist auf Notre Dame fixiert.
»Lass uns mal nachschauen!«, sagte Pierre. »Dann haben wir es endlich hinter uns.«
»Langsam. Noch zwei Züge.«
»Gut.«
Jean rauchte und ließ den Qualm durch seine Nasenlöcher strömen.
»Sag mal ehrlich, weißt du, was wir hier eigentlich finden sollen?«
»Nur einen Zugang.«
»Hast du einen Lageplan?«
»Nein«, sagte Pierre, »das war in der Eile nicht drin. Aber man glaubt, dass es hier einen Weg gibt, der in die Unterwelt führt.«
»Du meinst in die Kanalisation.«
»Entweder das oder in die Katakomben.«
Jean hob die Schultern. Er warf seine Kippe zu Boden und trat die Glutreste mit der Hacke aus.
»Okay, dann wollen wir mal nachschauen, was es da gibt.«
»Hoffentlich den Zugang, dann haben wir unsere Ruhe.«
»Sollen wir ihn öffnen?«
Pierre schüttelte den Kopf.
»Davon hat niemand was gesagt. Das hat man wohl uns überlassen.«
»Also nicht in die Unterwelt steigen?«
Pierre lachte und machte eine wegwerfende Geste.
»Was sollen wir dort? Mit den Ratten tanzen oder einen Schatz suchen?«
»Wenn ich den finde, würde ich in Pension gehen.«
»Kann ich mir denken. Wie lange musst du noch?«
»Frag lieber nicht.«
Beide gingen den Weg am Rand der Insel entlang. Links von ihnen begannen die Gärten der Kathedrale, an der rechten Seite befand sich eine Mauer. Dahinter strömte die Seine durch ihr Bett. Sie war ebenso wenig blau wie die Donau. Mehr ein grauer Strom mit hellen Schaumkronen.
Hin und wieder hörten sie die Lautsprecherstimmen der Fremdenführer auf den Touristenbooten, die das Wasser durchpflügten. Hier hatten die Profis einiges zu erzählen, und die Fahrgäste lauschten mit großen Ohren.
Das alles interessierte die beiden Flies nicht. Für sie war die Stadt nichts Besonderes mehr.
Der Zugang lag nicht in der Mauer, auch nicht in den Gärten, aber nahe der Brücke St. Louis, die zur Nachbarinsel führte, die denselben Namen führte wie die Brücke.
Da es inzwischen doch recht dämmrig geworden war, hatten die Männer ihre Taschenlampen hervorgeholt. Die beiden Strahlen glitten vor ihnen über das alte Pflaster, das schon vor Jahrhunderten so ausgesehen
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