1590 - Operation Unsterblichkeit
gerechnet, daß sie ein so hohes Risiko eingehen würde, wenn sie den Gerichtssaal betrat, und ihr war schon gar nicht in den Sinn gekommen, daß ihr eigenes Leben auf dem Spiel stand.
Nun aber war sie nur wenige Schritte von der Tür entfernt, hinter der der Tod durch Desintegratorstrahlen lauerte, und Kelamar Tesson war entschlossen, jeden durch diese Tür zu schicken, der sich ihm in den Weg stellte. Auch sie!
Verzweifelt überlegte sie, wie sie die Angeklagten verteidigen sollte, ohne die Würde des Gerichts zu verletzen.
Sie wußte ja noch nicht einmal, was Kelamar Tesson unter dieser Würde verstand. Er selbst legte offenbar fest, was damit gemeint war. Somit konnte er sich jederzeit beleidigt geben, wenn sie irgend etwas tat, um die Angeklagten zu retten.
Ihre Blicke richteten sich auf Kelamar Tesson. Er lächelte, und in seinen Augen war ein eigenartiges Funkeln.
Er triumphierte!
Er war überzeugt, einen wichtigen Sieg errungen zu haben.
Dorina Vaccer begriff, daß sie keine Chance hatte, den Gerichtssaal lebend wieder zu verlassen.
Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg, bereute jedoch keine Sekunde lang, daß sie in den Gerichtssaal gegangen war, um der Mannschaft der GOLAVA zu helfen. Es ging um mehr als nur sie. Es ging um das Leben der gesamten Mannschaft.
Sie beschloß zu kämpfen. „Die Verteidigung erbittet Einsicht in das Logbuch der GOLAVA", erklärte sie, „weil sie sich nur so ein Bild über die Abläufe an Bord machen kann."
„Abgelehnt", antwortete Kelamar Tesson kühl. „Die Verteidigerin kann sich darauf verlassen, daß die Anklage die Vorgänge wahrheitsgemäß dargestellt hat."
„Ich zweifle nicht an der Wahrheitsliebe des Anklägers", erwiderte sie, „muß jedoch darauf aufmerksam machen, daß die Verteidigerin noch nicht im Gerichtssaal war, als der Ankläger die Vorgänge an Bord dargestellt hat."
An dieser Klippe kam Kelamar Tesson nicht vorbei. Mit einem letzten Funken seines Verstandes erfaßte er, daß er Dorina Vaccer den Einblick in das Logbuch nicht verweigern durfte. Bei aller Willkür seines Vorgehens spürte er, daß irgendwo eine Grenze war, die zu überschreiten unübersehbaren Widerstand vor allem außerhalb des Gerichtssaals hervorrufen mußte.
Den Ausschlag gab eine gewisse Unruhe bei den Pariczanern, die zum erstenmal seit Beginn des Prozesses eine Regung zeigten. Sie war eine Warnung für ihn, wußte er doch, daß er verloren war, sobald die Überschweren nicht mehr hinter ihm standen. „Die Verhandlung wird für fünf Stunden unterbrochen", erklärte er, ließ das dunkle Buch auf den Tisch fallen, erhob sich und eilte aus dem Saal. Er zog sich in ein Arbeitszimmer zurück und ließ Dorina Vaccer durch einen Boten Auszüge aus dem Logbuch der GOLAVA zukommen, weigerte sich jedoch, außerhalb des Gerichtssaals mit ihr zu sprechen.
Er befaßte sich ebenfalls mit dem Logbuch und glaubte schon bald, weitere Beweise für den Verrat der Mannschaft an ihm gefunden zu haben.
Einige Male griff er nach dem Zellaktivator auf seiner Brust und horchte in sich hinein. Wie jeder linguidische Aktivatorträger kannte er die Warnungen, war jedoch nach wie vor davon überzeugt, daß sein Verstand nicht beeinträchtigt war. Er fühlte sich von seinen engsten Freunden und Mitarbeitern verraten und hintergangen, und er glaubte, ein Recht dazu zu haben, sich mit einem Gerichtsverfahren und harten Urteilen zu wehren. „Es geht um mein Leben!" flüsterte er, nachdem er die schriftlichen Aufzeichnungen aus dem syntronischen Logbuch zur Seite geschoben hatte. „Männer wie Perry Rhodan oder Atlan leben schon seit Jahrtausenden, ohne je dabei zu erkranken. Warum sollte der Aktivator negative Wirkungen auf mich haben, während er für sie so segensreich war?"
Er stand auf und ging zur Tür, die zum Gerichtssaal führte. Und dann glaubte er, die Hintergründe der Nachrichten erfaßt zu haben, die ihn in letzter Zeit erreicht hatten. „Es ist eine böswillige Propagandalüge, die von Rhodan und den anderen ehemals Unsterblichen über uns verbreitet wird", sagte er laut. „Es ist eine hinterhältige Intrige, mit der sie den Eindruck erwecken, daß der Zellaktivator uns Linguiden zu verwerflichen Taten verführt."
Er kehrte zu seinem Arbeitstisch zurück, öffnete eine Lade und nahm eine kleine Handfeuerwaffe heraus. Er verbarg sie unter seiner sehr weit geschnittenen Jacke. „Kein einziger Friedensstifter hat seine hohen Ideale verraten", sagte er, während er zur Tür
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