1593 - Der Hexentöter
bei ihr für einen Schock. Sie glaubte, einen Tritt erhalten zu haben, der ihr die Luft abschnürte.
Plötzlich hatte sie die Tote vergessen. Sie spürte die Veränderung an sich, und sie glaubte, dass sie innerlich und auch von außen her langsam vereiste. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken, ihr Herz raste.
Sie beruhigte sich erst wieder, als die Starre von ihr abfiel und sicsich wieder bewegen konnte.
Sie drehte sich um.
Es geschah nichts. Abgesehen von der Lichtquelle lag der übrige Raum in tiefer Dunkelheit. Es malten sich an der Rückseite auch keine Fenstervierecke ab, sodass Emily das Gefühl hatte, sich in einem Verlies zu befinden.
Sie drehte sich etwas nach rechts und trat vom Tisch weg. Ihre Gedanken beschäftigten sich jetzt wieder mit der Realität.
Sie hatte eine Tote gefunden, und der nächste Schritt würde sein, die Polizei zu benachrichtigen, damit sich Spezialisten darum kümmerten.
So hatte sie das zumindest immer im Fernsehen gesehen, und sie brauchte sich auch nicht davor zu fürchten, dass man sie verhaftete, denn sie hatte die Frau nicht getötet.
Was tun?
Das Zimmer verlassen, nach draußen gehen, eine Strecke vom Haus wegfahren, erst an der Straße wieder halten und dann vom Handy aus die Polizei informieren. Einen anderen Weg gab es nicht.
Nachdem sie den Vorsatz gefasst hatte, nickte sie, um sich Mut zu machen.
Zugleich fühlte sie sich in ihrer Umgebung etwas sicherer, doch das war nicht mehr als eine Momentaufnahme, denn plötzlich wurde alles anders.
Irgendwo in diesem großen Raum war ein Geräusch aufgeklungen. Die tiefe Dunkelheit schien ausgeatmet zu haben, um etwas loszuwerden, und sie konnte es nur mit einem leisen Stöhnen vergleichen, das sich im nächsten Augenblick veränderte und zu einem kurzen und harten Lachen wurde.
Emily Spencer starrte in die Richtung, aus der sie das Geräusch hörte.
Und dann sah sie die Gestalt, die sich aus dem Dunkel löste und langsam wie ein Schatten auf sie zukam.
Emily erstarrte. Die Gestalt musste ihr nichts erklären. Sie wusste auch so, wer sie war.
Melindas Mörder!
Und jetzt war sie an der Reihe…
***
»Ich brauche deine Hilfe, John Sinclair!«
Es war kein Traum, auch keine Einbildung, denn diesen Satz hatte ich tatsächlich gehört. Ich hätte ihn auch als normal angesehen, denn so etwas passierte mir nicht zum ersten Mal. Es kam nur darauf an, wer diesen Satz gesprochen hatte, und das war keine Geringere als Assunga, die Schattenhexe.
Oder die Königin der Hexen, die für sich und ihre Freundinnen ein eigenes Reich aufgebaut hatte.
Jetzt stand sie mitten in der Nacht hier in Dundee vor mir und zugleich vor dem Haus der Tierärztin Maxine Wells, in dem ich hatte übernachten wollen.
Ich wollte nicht behaupten, dass es ein Schock für mich war, aber eine große Überraschung schon, und ich wusste im ersten Moment nicht, was ich sagen sollte. Es hatte mir einfach die Sprache verschlagen, was nicht oft vorkam.
»Assunga«, flüsterte ich.
»Ja, ich bin es und kein Geist.«
Ich schaute sie an. Sie sah aus wie immer. Das rötliche Haar trug sie offen. Ihren Körper verbarg sie unter einem schwarzen umhangähnlichen Mantel, der etwas Besonderes war, obwohl er beim Betrachten nicht so aussah.
Sie hatte mich gefunden, und das weit im Norden der Insel. Dass dies geschehen war, ließ darauf schließen, dass sie schon einen gewissen Druck verspürte und sich in einer Lage befand, mit der sie allein wohl nicht fertig werden konnte. Und jetzt sollte ich ihre Probleme zu den meinen machen.
Ich fand die Sprache wieder, und meine Frage war nur ein Flüstern.
»Was hast du gesagt?«
»War ich nicht deutlich genug?«
Ich lachte leise. »Das schon, aber ich möchte es noch mal hören. Es ist einfach zu unglaublich.«
»Ich möchte, dass du mir hilfst.«
»Aha. Und wobei?«
»Das werde ich dir noch sagen.«
Es gefiel mir nicht. Assunga und ich waren keine Freunde. Es gab praktisch nur eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Wir hatten die gleichen Feinde und dazu zählte in erster Linie Dracula II, der mächtige Vampir, der mit richtigem Namen Will Mallmann hieß.
»Du hast Probleme, nicht?«
»Nein, nicht ich. Aber andere haben welche oder werden noch welche bekommen. Ich möchte dagegenhalten, und dabei sollst du mir zur Seite stehen.«
»Wie schön.« Ich konnte wieder grinsen. »Darf ich fragen, warum ich das tun sollte?«
»Weil es dein Job und auch deine Berufung ist, Geisterjäger.«
Sie war mit allen Wassern
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