1595 - Die sterbenden Engel
möglich an diejenigen heranzukommen, die er retten wollte.
Es war nicht möglich. Der Reverend sah die Engel vor sich. Er griff nach ihnen, aber er griff durch sie hindurch. Es war nur eine leichte Berührung an seinen Händen und auch im Gesicht zu spüren, als hätten ihn dort Spinnweben gestreift.
»Ihr verdammten Höllenbraten!«, schrie er jetzt. »Ihr werdet meine Kirche nicht entweihen. Los, haut ab, ihr Engel. Ich beschütze euch. Ich werde euch verteidigen und…«
Mehr brachte Cecil Davies nicht hervor. Er riss noch einige Stühle um, da zeigte ihm die andere Macht, wozu sie fähig war.
Aus dem Unsichtbaren hervor schlug sie zu.
Cecil Davies wurden die Beine weggeschlagen, ohne dass zu erkennen war, von wem. Er kippte nach hinten und schien für einen Moment auf dem Rücken in der Luft zu schweben, dann stürzte er zu Boden.
Der Aufprall wurde von seinem Schrei begleitet. Zudem war er mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, durch den ein stechender Schmerz zuckte, der ihm den Atem raubte.
Der Reverend blieb liegen, er hatte nicht mehr die Kraft, auf die Beine zu kommen. Er war zu einem Opfer der höllischen Kräfte geworden, und die dachten gar nicht daran, ihn in Ruhe zu lassen.
Sie wollten sein Leben. Sie wollten ihn ebenso vernichten wie die Engel.
Er lag zwischen den Stühlen, und es gab niemanden, der ihm helfen konnte.
Der Reverend sah seine Feinde nicht. Er spürte sie nur. Er wurde von einem unsichtbaren Grauen umgeben, und in sein Inneres kroch die Angst wie eine dicke Schlange.
Auch Melanie konnte nichts tun. Sie und Mina standen dicht beisammen, aber sie wussten, dass die andere Macht stärker als sie war. Der Blick auf den Geistlichen wurde ihnen verwehrt, weil zu viele Stühle im Weg standen.
»Er wird bald tot sein«, flüsterte Melanie.
Von Mina erhielt sie keine Antwort, denn auch dieser Engel konnte nicht helfen und musste sich auf sein eigenes Ende vorbereiten.
Doch dann geschah etwas, womit beide nicht gerechnet hatten…
***
Ich krümmte mich zusammen, weil der plötzliche Wärmestoß zu überraschend für mich gekommen war.
Die heftige Reaktion meines Kreuzes bewies mir, dass wir hier genau richtig waren und das Böse in der Nähe lauerte. Ich hatte nur nicht mit der Intensität der Reaktion gerechnet, Das war schon außergewöhnlich.
Es ließ aber darauf schließen, dass sich ein mächtiger Feind in der Nähe befand und nur eine Türdicke entfernt lauerte.
Ich richtete mich wieder auf und sah Sukos besorgten Blick auf mich gerichtet.
»Es geht schon wieder.«
Er fragte nur: »Das Kreuz?«
»Ja.«
»So hart?«
Ich nickte. »Wir können uns da auf etwas gefasst machen.«
Als wollte irgendeine Macht meine Worte bestätigen, klangen plötzlich jenseits der Tür menschliche Schreie auf.
Es waren schlimme Laute. Jemand schien in der Kirche um sein Leben zu kämpfen oder unter einer wahnsinnigen Folter zu stehen.
Suko war vor mir an der Tür. Er packte die Klinke. Ich hörte ihn noch mal Luft holen, und dann riss er die Kirchentür mit einer einzigen Bewegung auf.
Wir hatten freie Bahn.
Und was wir sahen, das mochte überall hinpassen, nur nicht in eine Kirche…
***
Der Raum war mit Stühlen bestückt, nicht mit Bänken. Nur standen die Sitzmöbel nicht mehr so wie sonst. Zwei, drei Reihen gab es noch, die anderen waren durcheinandergewirbelt worden. Da lagen die Stühle umgekippt auf dem Steinboden.
Das allerdings war nur eine Randerscheinung. Etwas anderes war für uns wichtiger.
Reverend Cecil Davies hatten wir noch nie in unserem Leben gesehen, und trotzdem wussten wir, dass er es war, der auf dem Rücken lag und sich ungewöhnlich benahm.
Er schrie. Er schlug und trat auch um sich - und zwar ins Leere, denn ein Gegner war nicht zu sehen. Mir kam es vor, als würde er aus dem Unsichtbaren angegriffen.
Ich wollte es wissen, huschte an Suko vorbei und erlebte etwas, das mich beinahe aus den Schuhen hob.
Es verging nicht mal eine Sekunde, als sich die Szenerie abrupt veränderte. Das musste wohl an mir liegen oder vielmehr an meinem Kreuz, denn ich war dem Reverend ziemlich nahe gekommen.
Wieder spürte ich den Schmerz auf meiner Brust, aber diesmal wurde er noch von etwas anderem begleitet.
Vor mir funkelte plötzlich Licht, und das stammte nicht von einer Lampe, sondern war einzig und allein eine Reaktion meines Kreuzes.
Und dieses Licht machte das sichtbar, was mir und auch dem Reverend zuvor verborgen geblieben war.
Ich sah seine Gegner. Ich sah die
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