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1597 - Abschied von der Unsterblichkei

Titel: 1597 - Abschied von der Unsterblichkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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nicht. Die Marsianerin hatte soviel Überzeugungskraft, daß sie selbst die Ordnungskräfte damit besiegen konnte, die aufgetaucht waren, um die „Versammlung aufzulösen". Natürlich konnten die Behörden nicht zulassen, daß Hunderte Bürger in aller Öffentlichkeit Selbstmord verübten. Unter anderen Umständen wäre das Gelände um den Pavillon längst leergefegt. Aber dies waren keine normalen Umstände, keine normalen Zeiten.
    Anna hatte mit den Männern und Frauen geredet, die den Auftrag hatten, den Massensuizid zu verhindern. Jetzt saßen diese Männer und Frauen bei den anderen und warteten auf die letzte Stunde.
    Es war eine zu normalen Zeiten absolut undenkbare Situation, aber der Mars hatte nichts mehr aufzubieten, um das Geplante zu verhindern. Der Planet lag in Lethargie und Agonie.
    Natürlich war den Nachbarn auf Terra nicht verborgen geblieben, was sich hier tat, aber die Sicherheitskräfte, die bisher per Transmitter geschickt worden waren, wären entweder nach der Landung selbst den lähmenden Depressionen erlegen, oder sie hatten den Park noch nicht erreicht.
    Anna schien bei aller äußeren Ruhe zu ahnen, daß es so nicht bleiben würde, denn sie gab ihren Helfern jetzt das Zeichen, mit dem Austeilen des Trankes an die Verzweifelten zu beginnen. Dies geschah fast feierlich. Mit dem Bild des Todes im Geist, brachten die jungen Marsianer noch die Kraft auf, in einer Art Ritual für jeden Gekommenen einen Becher aus den großen Behältern vollzuschöpfen.
    Noro fuhr zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten.
    Sie war seltsam ruhig gewesen, seit sie mit Anna hier eingetroffen war. Ihre einzige Sorge hatte Jeth gegolten.
    Doch nun schlug es wieder zu, riß sie von den Beinen und ließ sie ins weiche Gras stürzen. Sie fing sich instinktiv auf, zog die Knie an den Leib und wälzte sich weinend von einer Seite auf die andere.
    Es war schlimmer als vorher.
    Das dunkle Loch schien die ganze Welt aufzulösen. Nirgendwo war mehr ein Halt. Sie fiel, fiel und fiel. Das Monstrum im Zentrum des Nichts brüllte wie ein tödlich verwundetes Tier, eine Kreatur am Rande des Abgrunds. Und es riß sie mit in diesen Abgrund hinein.
    Rasender Schmerz strahlte von ihrem Kopf aus und marterte jede Faser ihres Körpers. Noro zappelte, schrie, heulte und mußte sich erbrechen. Sie sah nichts mehr von der Umgebung und wußte nicht, ob es den anderen ebenso erging. Sie hatte auch keinen Sinn mehr dafür. In diesen furchtbaren Minuten gab es nur sie. Nicht einmal Jeth hatte Platz in ihrer Pein.
    Wie von ganz weiter Ferne, drang zwischen den Stichen in ihrem Bewußtsein Annas Stimme zu ihr vor: „... und werden wir jetzt den letzten Schritt tun, Brüder und Schwestern. Gemeinsam werden wir den Weg in das Nichts beschreiten, das dadurch seine Macht über uns verlieren wird. Wir werden nicht tot sein. Unser Geist wird in einem Nirwana weiterexistieren, in dem es keine Angst und keinen Schmerz mehr für uns gibt ..."
    Noro richtete sich auf, kroch ein Stück auf allen vieren und schaffte es noch einmal, auf die Beine zu kommen.
    Sie sah Anna auf dem Schwebepodest, und ihre Freunde, die den Trank ausgaben. Wer nicht mehr zum Podest kommen konnte, dem wurde der Trank gebracht.
    Hierher! dachte Noro. Gebt ihn mir! Es muß Schluß sein! Endlich ein Ende! Und wenn ich Jeth schon nicht finde...
    In dem Moment, als sie das dachte, sah sie ihn.
    Jeth Bylon lag mit ausgestreckten Gliedern auf dem Rücken vor ihr. Seine Augen waren weit aufgerissen und gebrochen. Als sie sich schluchzend über ihn warf, spürte sie die Kälte seines toten Körpers. „Jeth", weinte sie. „Warum hast du nicht gewartet? Warum bist du allein gegangen?"
    Jetzt gab es auf dieser Welt endgültig nichts mehr, das sie hielt. Sie hörte Anna reden und ging wie eine Schlafwandlerin auf das Podest zu. Der Trank, ja, gebt mir endlich einen Becher. Und dann nichts wie herunter mit dem Zeug.
    Anna hatte gesagt, daß sie alle gleichzeitig trinken würden. Noro dachte jetzt nicht mehr daran.
    Ein Schluck, und alles war vorbei. Jemand, der so tief in der Depression steckte wie sie, für den gab es keine Hoffnung und keinen Glauben an eine bessere Zeit mehr.
    Noro streckte beide Hände nach den Bechern aus, die von dem Podest heruntergereicht wurden.
    Alles war aus.
    Jeth tot. Die unerträglichen Qualen. Keine Zukunft. Kein Ziel mehr. Nur noch aufhören, aufhören mit allem.
    Anna sah sie. Sie hatte aufgehört zu sprechen. Alle warteten jetzt nur noch

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