1599 - So rächt sich eine Horror-Braut
dachte, dass sie keine gehabt hatte. Zumindest hatte sie davon nie etwas erwähnt.
Sie stand an seiner Seite, schaute ihn an und sprach kein Wort.
Foster wich dem Blick nicht aus. In den Augen sah er zwar kein Licht, dafür etwas, was er als einen sehr harten und gnadenlosen Ausdruck bezeichnete. So hatte ihn Julia zu ihren Lebzeiten niemals angesehen.
Der Mann musste sich stark zusammenreißen, um eine Frage stellen zu können: »Wer - wer bist du?«
»Ich bin Julia, deine Frau.«
Ja, das war ihre Stimme. Daran gab es keinen Zweifel. So hatte Julia immer gesprochen.
Foster war regelrecht fertig. Er schloss die Augen, weil er nichts mehr sehen wollte. Was er hier erlebte, war einfach grauenhaft. Obwohl die Szene nicht so aussah, empfand er sie als reinen Horror.
Das ist ein Traum! Das ist nicht wahr! Das ist der Horror, obwohl es nicht so aussieht…
Er wusste nicht, was er noch denken sollte. Es war kein Traum. Wenn er die Augen schloss, spürte er den Druck des Ledergürtels quer über seinem Körper. So etwas konnte einfach kein Traum sein, und das traf auch nicht zu.
Tony Foster befand sich in ihrer Hand.
Aber in wessen genau?
Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. Er hatte Julia aufschlagen sehen…
»Hast du noch etwas zu sagen?«
Tony Foster öffnete die Augen und zuckte gleichzeitig zusammen. Diese Frage hatte sich schlimm angehört, als hätte sich jemand nach seinem letzten Wunsch erkundigt.
War es denn so weit? Sollte er sterben? War sie gekommen, um sich zu rächen?
»Wer bist du?« Er wiederholte sich.
»Deine Frau!«
»Nein…«
»Warum sollte ich nicht deine Frau sein? Willst du mich nicht anfassen und es genau herausfinden?«
»Nein, das will ich nicht. Das kann ich auch nicht. Das wäre zu viel verlangt. Bitte, ich…«
»Ich bin tot, nicht?«
Er deutete ein Nicken an. Auf seine Schmerzen im Kopf achtete er nicht mehr. Das Erscheinen dieser Person hatte ihn in den Bann gezogen.
»Und jetzt stehe ich vor dir.«
»Nein, das bist du nicht. Das kannst du nicht sein. Du bist so etwas wie ein Zwilling. Ja, das ist es. Du gleichst Julia aufs Haar.«
»Aber du hast meinen Tod doch gewollt. Oder nicht?«
»Bitte, ich…«
Julia schüttelte den Kopf. »Keine Ausreden mehr. Du wolltest mein Erbe, das tatsächlich existiert. Nichts anderes läuft hier ab. Aber du hast dich verrechnet, mein Freund. Nicht du bist es, der die Dinge bestimmt. Das bin ich.«
Tony Foster hatte zugehört. Sein Mund stand dabei offen. Er lauschte dem Klang der Stimme, der ihm schon zuvor aufgefallen war. Praktisch beim ersten Wort. Das hatte zwar normal geklungen, aber es hatte auch einen hohlen Klang. Als hätte die Stimme keinem normalen Menschen gehört, sondern einer Gestalt, die aus einer tiefen Gruft heraus sprach.
»Aber du musst tot sein!«
Julia lächelte und nickte, bevor sie sagte: »Kann sein, dass ich dies bin. Ich bin tot und lebe trotzdem. Man kann mich nicht leicht umbringen. Selbst du nicht. Ich war doch deine Braut, und jetzt bin ich gekommen, um abzurechnen.«
»Und was willst du genau?«
»Das solltest du dir denken können.«
»Nein, ja, ich…«
»Alles, was du dir vorstellen kannst, mein lieber Mann. Ich werde mich dir offenbaren, du wirst sehen. Du bist ein schlechter Mensch. Du gehst über Leichen. Du gibst anderen Menschen keine Chance, und das ist nicht gut. Ich habe es erlebt, nur bist du bei mir an die Falsche geraten. Ich war bereits verheiratet oder liiert. Ich bin es immer noch. Aber mein wirklicher Mann ist ein großer Held. Er ist derjenige, der wirklich über die Welt herrscht. Er hat mir meine Macht gegeben, und glaube nur nicht, dass du der einzige Mann bist, den ich bereits überlebt habe.«
Tony Foster wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Sie sprach in Rätseln, doch er ging davon aus, dass sie ihm die Wahrheit sagte.
Ja, die Wahrheit. Sie war zwar für ihn nicht zu begreifen, er musste sie akzeptieren, und ihm wurde jetzt bewusst, dass sich sein Leben allmählich dem Ende zuneigte.
Von Julia hatte er keine Gnade zu erwarten. Sie wollte abrechnen, und er konnte sie sogar verstehen. Auch er hätte das getan in ihrer Lage. Er hatte ihr den Grund gegeben, er hatte ihren Tod gewollt, und jetzt stand sie lebendig vor ihm.
Das akzeptierte er sogar, denn jetzt drehte sich bei ihm alles um sein eigenes Schicksal.
Julia lächelte ihm zu. Es war nicht mehr das Lächeln, das er kannte, als sie noch gelebt hatte. Dieses Lächeln war anders. Es war wissend, falsch
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