1599 - So rächt sich eine Horror-Braut
schloss erneut die Augen. Suko sprach weiter. Ich hörte seine Stimme als Hintergrundgeräusch, und plötzlich rastete etwas in meinem Kopf ein.
»Ha, ich weiß es.«
»Super. Und wo?«
»Gestern Morgen.«
»Stimmt«, sagte Suko. »Du bist später gekommen, weil du noch zur Bank wolltest.«
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.
»Das ist es doch! Ich hatte meine Geschäfte erledigt, habe die Bank verlasen und da hat mich jemand mit einer derartigen Wucht angerempelt, dass wir beide zu Boden gegangen sind.«
»Und das war der Mann auf dem Bild?«
»Ja!«
Suko pfiff durch die Zähne. In seinem Gesicht sah ich den Ausdruck der Überraschung.
»Kann man da von einem Zufall sprechen?«, fragte er.
Ich verzog die Lippen. »Gibt es Zufälle im Leben?«
»Die Mathematiker behaupten das Gegenteil.«
»Ja, ich weiß.« Jetzt war ich neugierig geworden und las den Artikel, der zum Bild gehörte. Ich wollte wissen, wie der Mann ums Leben gekommen war. Dabei ging ich davon aus, dass es nichts mit meinem Beruf direkt zu tun hatte. Letzte Zweifel allerdings waren geblieben. Ich wusste auch nicht, warum sie plötzlich in mir aufgestiegen waren.
Der Reporter hatte zwar viel geschrieben, aber nur wenig an Konkretem mitgeteilt. Der Tote war von einem Jagdhelfer gefunden worden, der seine Runde gedreht hatte und sich dabei stets in der Blockhütte im Wald umschaute. Er hatte auch die Polizei alarmiert. Woher der Reporter Wind von der Sache bekommen hatte, stand dort nicht. Auch der Name des Toten war nicht preisgegeben worden.
Ich konzentrierte mich noch mal auf den Gesichtsausdruck. Es sah aus, als hätte der Mann kurz vor seinem Tod wahnsinnig gelitten. Aber es war keine äußere Verletzung zu sehen. Vergeblich suchte ich nach einer Wunde, die von einer Kugel oder einem Messerstich hinterlassen worden wäre. Das war schon alles seltsam.
»Was denkst du?«, fragte Suko.
Ich ließ die Zeitung sinken.
»Mit dem Toten stimmt was nicht.«
»Wieso?«
»Es ist nicht zu sehen, wie man ihn getötet hat. Aber er muss kurz vor seinem Ableben einen wahnsinnigen Horror erlebt haben, sonst würde er nicht so aussehen.«
»Da ist was dran.«
»Und ich ahne, wie der Mann gestorben ist.«
Suko wiegte den Kopf. »Denk daran, dass du dich damit aufs Glatteis begibst. Das ist ein Fall, der uns nichts angeht. Nicht, dass die Kollegen sauer werden, wenn du dich einmischst.«
»Keine Sorge. Erkundigen darf man sich ja wohl.«
»Klar.«
Es stand natürlich nicht abgedruckt, wer die Untersuchungen durchführte. Dieses herauszufinden war kein Problem. Es kostete mich nur einen Telefonanruf.
Der Kollege hieß Donald Gorris. Ich kannte ihn nicht, aber ich erfuhr, dass er Dienst hatte.
Mit dem zweiten Anruf holte ich ihn mir an die Strippe.
»John Sinclair hier. Ich…«
»Sie?« Er ließ mich nicht weiter sprechen. »Etwa der John Sinclair?«
»Ahm - wieso?«
»Ich meine, der Geisterjäger?«
»Ach ja, klar. Wenn Sie das meinen, liegen Sie richtig.«
»Sehr gut. Ich habe Sie schon immer mal kennenlernen wollen. Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Es geht um einen Toten, dessen Bild ich heute in der Zeitung sah. Sie bearbeiten den Fall, hat man mir gesagt, und ich möchte Sie fragen, was Sie mir über den Mann sagen können.«
Zuerst erhielt ich keine Antwort. Dann hörte ich ein Seufzen und die Frage: »Ist das ein Fall für Sie?«
»Nein, es ist privat.«
»Dann kennen Sie den Toten?«
»Kennen ist zu viel gesagt, Mr. Gorris. Er ist mir gestern erst über den Weg gelaufen.«
»Das bringt mich auch nicht weiter. Ich gebe Ihnen gegenüber allerdings auch zu, dass die Leiche uns Rätsel aufgibt. Der Mann heißt übrigens Tony Foster.«
»Danke. Aber warum die Rätsel? Liegt es vielleicht daran, dass äußerlich keine Wunde zu erkennen ist?«
»Ja. Das ist ungewöhnlich.« Gorris räusperte sich. »An einem inneren Leiden ist er auch nicht gestorben. Ich denke da an einen Herzschlag, ausgelöst durch eine starke Angst. So etwas ist alles möglich, wie unser Doc sagte.«
»Weiß er denn mehr?«
Der Kollege enthielt sich zunächst einer Antwort. Wahrscheinlich musste er nachdenken. Dann sagte er: »Unser Arzt ist ein alter Fahrensmann. Er weiß, was er tut. Auch ihm war das Ableben komisch. Er hat den Mann untersucht und herausgefunden, was mit ihm passiert war. Das hat uns alle überrascht.«
»Was war es denn?«
»Nun ja, ob Sie es glauben oder nicht, Tony Foster ist innerlich verbrannt.«
Das also war es.
Weitere Kostenlose Bücher