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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und hoch, aber halb verfallen. Die Fensterlücken starrten uns leer entgegen. Das Dach war an vielen Stellen offen. Der Bewurf der Mauer war verschwunden, und längs der Front lag des Mehl der Ziegelsteine, welche unter dem Einfluß der Witterung sich auflösten.
    Wir ritten bis vor das hohe, breite Tor, wo uns ein Kerl empfing, dessen langgezogenes Galgengesicht keineswegs vertrauenserweckend war.
    „Das ist Humun, der Diener des Herrn“, erklärte der Schneider.
    Ah, da hatten wir den Mann also ja gleich, vor welchem wir uns hüten sollten! Er machte mir eine tiefe ehrerbietige Verneigung, deutete auf zwei kräftige Burschen, welche hinter ihm standen, und sagte:
    „Effendim, mein Herr hat mit Trauer vernommen, daß du nicht gehen kannst. Darum gab er den Befehl, daß diese Leute dich zu ihm tragen sollen. Sie sind so kräftig, daß du dich ihnen anvertrauen kannst.“
    Ich stieg ab. Die beiden Bezeichneten schlangen je einen Arm ineinander und faßten sich dann mit den beiden anderen Händen. Auf die Hände setzte und an die Arme lehnte ich mich, und so war eine Art Tragstuhl gebildet, mittels dessen ich in den Flur und durch zwei Stuben in das Empfangszimmer getragen wurde. Meine Gefährten folgten mir.
    Dieses Zimmer war leidlich ausgestattet. Um die Wände liefen Diwans. Auf einer erhöhten Stelle, dem Eingang gegenüber, saß der Schloßherr. Neben sich hatte er eine ähnliche Erhöhung, welche wohl für mich bestimmt war, und vor seinem Platz lagen einige Polster für meine Gefährten.
    Meine beiden Träger blieben mit mir unter der Tür stehen. Der Herr verbeugte sich, ohne sich zu erheben und sagte:
    „Sei mir willkommen, hoher Effendi. Allah segne deinen Eingang in mein Haus und gebe dir lange Tage bei mir! Verzeihe, daß ich mich nicht erhebe, denn die Nikris (Podagra) plagt meine Beine, so daß ich sie nicht bewegen kann. Laß dich zu mir tragen, um neben mir zu meiner Rechten Platz zu nehmen. Deine Gefährten aber mögen hier vor uns Ruhe ihrer Glieder finden.“
    Man setzte mich neben ihm nieder, während die drei uns gegenüber Platz nahmen. Ich sagte natürlich einige höfliche Worte des Dankes und der Entschuldigung, welche er mir aber mit der Versicherung abschnitt, daß nicht ich, sondern er zu Dank verpflichtet sei.
    Die Träger hatten sich entfernt, und der Diener brachte Pfeifen und Kaffee. Im Orient ist man gewöhnt, den Reichtum des Mannes nach der Beschaffenheit seiner Pfeifen zu taxieren. Mit diesem Maßstab gemessen, war Murad Habulam ein sehr reicher Mann.
    Seine Pfeife und diejenige, welche ich bekam, hatten Rohre von echtem Rosenholz, welches mit Goldfäden umstrickt und mit Perlen und Edelsteinen verziert war. Die Spitzen waren Kabinettstücke. Der Bernstein war von jener halb durchsichtigen, rauchigen Art, welche im Orient weit höher geschätzt wird als der durchsichtige. Die kleinen Fingans (Tassen) standen in goldenen Schalen von köstlich durchbrochener Arbeit, und als ich kostete, mußte ich mir gestehen, daß ich nur in Kairo einmal einen besseren Kaffee getrunken hatte. Er wurde natürlich nach orientalischer Art samt dem feingestoßenen Satz genossen. Ein Täßchen enthielt ungefähr den Inhalt von vier Fingerhüten.
    Auch der Tabak war fein. Schade, daß die Pfeifenköpfe so klein waren! Wenn man ungefähr fünfzehn Züge getan hatte, mußten sie wieder gestopft werden, was Humun, der Liebling seines Herrn, besorgte.
    Da es die gute Sitte erfordert, daß man den Gast nicht gleich nach seinen Verhältnissen fragt, so wurden nur allgemeine Redensarten gewechselt. Dann rückte mir der Herr etwas näher, indem er fragte:
    „Hast du heute eine gute Reise gehabt, Effendim?“
    „Allah hat mich gut geleitet“, antwortete ich.
    „Afrit, der Schneider, sagte mir, du kämst von Sbiganzy?“
    „Ich war seit gestern dort.“
    „Und vorher?“
    „In Radowitsch und Ostromdscha.“
    „So bist du täglich unterwegs gewesen?“
    „Ja, denn wir kommen von Edreneh und Stambul.“
    „Von Stambul! Allah hat es sehr gut mit dir gemeint, daß er dich in der Stadt des Padischah hat geboren werden lassen!“
    „Ich bin nicht dort geboren. Ich kam von Damaskus über Falesthin (Palästina) dahin.“
    „So bist du also gar ein Damaski?“
    „Auch nicht. Ich bin ein Franke, ein Germani und reiste von meinem Vaterland aus nach der großen Sahar (Sahara), um von da nach Gypt (Ägypten) und Belad el arab (Arabien) zu gehen.“
    „Allah ist groß! So weit hat deine Reise dich geführt? Hast

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