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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aneinander finden. Außerdem ist er so reich, daß es ihn gar nicht anficht, zehn oder auch zwanzig Gäste zu beherbergen.“
    Ein sehr gelehrter Mann und weltkundiger Mann! Das zog. Und um mich noch geneigter zu machen, fügte der Schneider hinzu:
    „Du wirst eine prächtige Wohnung sehen mit Harem, Park und allem, was ein reicher Mann nur haben kann.“
    „Hat er auch Bücher?“
    „Eine ganze, große Sammlung.“
    Da war es nun freilich mit allen Bedenken aus, und ich sandte den Schneider voraus, um uns anzumelden.
    Während ich mit Halef über den steinreichen und gelehrten Türken plauderte und meine Vermutung aussprach, daß wir bei demselben gar keiner Anmeldung bedurft hätten, weil er unsere Ankunft schon durch die Aladschy erfahren haben würde, scheute plötzlich des Hadschi Pferd.
    Wir ritten nämlich hart am Rand des Teiches hin, über dessen Flächen ein Kahn grad auf uns zugekommen war. Es saß ein junges Mädchen darin, welches das Fahrzeug mit kräftigen Armen ruderte.
    Sie trug das Gewand unverheirateter Bulgarinnen. Unter dem roten Tuch, welches sie um den Kopf geschlungen hatte, hingen zwei lange, schwere Haarzöpfe hervor.
    Sie mochte es sehr eilig haben, denn ohne den Kahn erst anzubinden, sprang sie heraus und wollte schnell an uns vorüber. Ihre rote Kleidung, ihre Hastigkeit oder sonst etwas erschreckte Halefs Pferd: es tat einen Satz nach vorn, streifte das Mädchen mit einem Huf und riß es nieder.
    Mein Rappe wurde auch ein wenig scheu und bäumte sich. Die Bulgarin wollte sich aufraffen, tat es aber nach der verkehrten Seite, kam so unter mein Pferd und schrie laut auf vor. Angst.
    „Still! Du machst nur die Pferde scheu!“ rief ich ihr zu. „Bleib' ruhig liegen!“
    Der Rappe tänzelte zwar noch ein wenig, trat sie dabei aber nicht, und so konnte sie sich erheben. Nun wollte sie davonlaufen, ich aber gebot ihr:
    „Halt! Warte einen Augenblick! Wie heißt du?“
    Sie blieb stehen und sah zu mir herauf. Es war ein echt bulgarisch jugendliches Gesicht, weich, rund und voll, mit kleiner Nase und sanften Augen. Der Kleidung nach war sie arm und ging barfuß. Halefs Pferd hatte ihr wahrscheinlich wehe getan, denn sie zog den einen Fuß empor.
    „Anka heiße ich“, antwortete sie.
    „Hast du Eltern?“
    „Ja.“
    „Geschwister?“
    „O, viele!“
    „Und einen Schatz?“
    Eine tiefe Röte überzog ihr frisches Antlitz, aber trotzdem antwortete sie schnell:
    „Ja, einen prächtigen!“
    „Wie heißt er denn?“
    „Janik. Er ist Knecht.“
    „So seid ihr beide wohl nicht reich?“
    „Wenn wir Vermögen hätten, wäre ich schon längst seine Frau. Wir sparen aber.“
    „Wie viel denn?“
    „Ich tausend Piaster und er tausend.“
    „Was wollt ihr dann anfangen?“
    „Dann ziehen wir in die Nähe von Uskub, wo meine und seine Eltern wohnen, und pachten uns eine Gärtnerei. Sein Vater ist Gärtner und der meinige auch.“
    „Nun, wie steht es denn mit dem Sparen? Wächst die Summe?“
    „Nur sehr langsam, Herr. Mein Lohn ist so gering, und ich möchte doch auch dem Vater zuweilen etwas geben, der auch nur Pächter ist.“
    Das freute mich. Die Bulgarin sah so treuherzig und brav aus. Sie gab ihrem Vater von ihrem armen Lohn, obgleich sie dadurch das ersehnte Glück noch länger verschob.
    „Hast du dir wehe getan?“ frage ich.
    „Das Pferd hat mich getroffen.“
    Das war wohl nicht gar schlimm, denn sie stand jetzt gut aufrecht da; aber ich griff in die Tasche, zog eine Kleinigkeit, vielleicht fünfzig bis siebzig Piaster, hervor und hielt sie ihr hin.
    „So mußt du zum Arzt und zum Apotheker gehen, Anka, damit die Verletzung wieder heil wird. Hier hast du etwas, um die beiden zu bezahlen.“
    Sie wollte schnell zugreifen, zog aber die Hand wieder zurück und meinte:
    „Das darf ich nicht annehmen.“
    „Warum nicht?“
    „Ich brauche vielleicht gar nicht zum Arzt und zum Apotheker zu gehen; also darf ich auch kein Geld nehmen.“
    „So nimm es als ein Geschenk von mir!“
    Sie machte ein allerliebst betroffenes Gesicht und fragte verlegen:
    „Wofür denn? Ich habe dir ja noch gar keinen Dienst zu erweisen vermocht.“
    „Das hat man bei einem Geschenk auch gar nicht zu verlangen. Lege es zu deinem Spargeld – oder sende es deinem Vater, der es wohl brauchen kann.“
    „Herr, das Wort, welches du da sagst, ist ein gutes. Ich werde das Geld meinem Vater schicken. Er wird für dich zur Mutter Gottes beten, obgleich du ein Moslem bist.“
    „Ich bin kein Moslem,

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