16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
schneidert! Dieses Geld ist geraubt oder gestohlen. Was tun wir damit?“
„Stecke es ihm wieder in die Tasche. Es gehört nicht uns; die Waffe aber nehmen wir ihm, damit er nicht Unheil mit derselben anrichten kann.“
Ich setzte den Wicht dann wieder zu Boden. Er knirschte mit den Zähnen. Wer und was war er eigentlich? Wir würden vor Angst zittern, wenn wir es erführen, hatte er selbst gesagt. Ich mußte ihn für uns unschädlich machen, und um das zu erreichen, brauchte ich nicht Gleiches mit Gleichem, Mord mit Mord zu vergelten. Eine empfindlichere Strafe aber mußte er haben, eine Strafe, welche ihn zugleich unfähig machte, sich weiter um uns zu bekümmern.
„Halef, Osco. Omar, schnallt ihn dort auf die Bank!“ lautete mein Bescheid.
Der Bursche hatte getan, als ob mein Griff nach seiner Gurgel ihm alle Fähigkeit, sich zu bewegen, geraubt habe; kaum aber waren meine Worte gesprochen, so schnellte er empor, war mit zwei Sätzen bei Habulam, riß diesem mit beiden Händen das Messer und die Pistole aus dem Gürtel, drehte sich nach mir um und rief:
„Mich anschnallen? Das ist das letzte Wort, welches du gesprochen hast!“
Er richtete die Waffe auf mich, der Hahn knackte und der Schuß krachte. Kaum fand ich Zeit, mich mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften zur Seite zu werfen, so daß ich samt dem Stuhl um und zu Boden stürzte. Ich war nicht getroffen worden; aber wie es sich dann herausstellte, war die Kugel zwischen Janik und Anka, welche hinter mir standen, hindurch geflogen und in die Tür gedrungen.
Wie ich es mit meinem in Gipsverband steckenden Fuß fertig gebracht habe, das weiß ich heute noch nicht; doch ich hatte kaum den Boden berührt, so schnellte ich mich in die Höhe und auf den Mörder zu, nicht mit einem Sprung, nein, ich schlug einen wahren Salto mortale, ein Rad, über meine beiden Hände hinweg. Just da, wo der Wicht stand, faßte ich nach dem weiten Schwung wieder Boden, packte den Verbrecher mit beiden Händen und riß ihn mit mir nieder.
Murad Habulam und seine Leute brachten vor Schreck kein Wort hervor; sie rührten sich nicht von der Stelle. Suef lag unter mir. Ich kniete ihm quer auf den beiden Oberschenkeln und drückte seinen Kopf nieder. Er hielt die abgeschossene Pistole, welche zum Glück nur einläufig war, noch in der Rechten, in der Linken das Messer. Dieses wäre mir jedenfalls gefährlich geworden, aber mein geistesgegenwärtiger Halef kniete bereits neben uns und hielt ihm die Hand.
„Osco, herbei!“ rief er. „Auf die Bank mit ihm, damit er kein Glied rühren kann!“
In weniger als einer Minute war Suef in der Weise, wie die Bastonade es erfordert, an die Bank gebunden. Janik brachte den Stuhl herbei und ich setzte mich nieder.
„Siehst du es nun, daß dein Haus wirklich eine Mördergrube ist, wie dir vorhin gesagt wurde?“ herrschte Halef den Alten an. „Wäre unser Effendi nicht so kampfesgewohnt und geistesgegenwärtig, so läge er jetzt als Leiche hier. Aber dann würdest du sehen, was geschähe! Jetzt aber ist unsere Geduld zu Ende. Jetzt sollt ihr alle erfahren, was es heißt, auf uns zu schießen und uns vergiftete Speisen vorzulegen!“
„Davon weiß ich nichts“, behauptete der Alte.
„Schweige! Du wirst nachher an die Reihe kommen. Wir beginnen jetzt mit diesem Elenden da. Er hat uns in dieses Haus des Mordes geführt. Er hat gewußt, daß wir ermordet werden sollten. Er hat jetzt nach dir gestochen, Sihdi, und auf dich geschossen. Bestimme, was mit ihm geschehen soll! Meinst du nicht, daß er den Tod verdient hat?“
„Ja, er hat den Tod verdient. Aber wir wollen ihm das Leben lassen, es ist ja möglich, daß er ein anderer Mensch wird. Als Anregung zur Besserung mag er die Bastonade erhalten, welche dir zugesprochen war!“
„Wieviel Hiebe?“
„Dreißig.“
„Das ist zu wenig; ich sollte fünfzig erhalten.“
„Dreißig genügen.“
„So müssen sie aber kräftig sein. Wer soll sie ihm geben?“
„Natürlich du. Du hast dich ja darauf gefreut, Halef!“
Obgleich er sich unter Umständen sehr gern der Peitsche bediente, erwartete ich doch, daß er dieses Mandat von sich weisen werde. Ich hatte mich in dem braven Menschen nicht getäuscht, denn er sagte unter einer stolzen, wegwerfenden Armbewegung:
„Ich danke Effendi! Wo es gilt, uns mit der Peitsche Achtung zu verschaffen, da bin ich bereit, aber ein Khawaß mag ich nicht sein. Die Peitsche ist ein Zeichen der Herrschaft; ich schwinge sie, aber nicht den
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