16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
gerissen ward.
Im Nu war ich mit dem Oberleib aus der Öffnung. Ich sah das Feuer. Draußen auf der Decke der Höhle lag ein Mensch – die Leiche des Fleischers, wie ich auf den ersten Blick bemerkte. Auf dem Dach der Hütte standen zwei Männer, die nach dem Turban geschossen hatten. Sie waren von mir und der Plattform, welche die Decke bildete, durch das bereits erwähnte Zaunwerk getrennt, durch dessen Lücken sie gezielt hatten.
Diese unvorsichtigen Leute hatten die Hauptsache vergessen, nämlich, daß ich sie gegen die Flamme viel besser bemerken konnte, als sie mich. Der eine war im Wiederladen begriffen, und der andere hob sein Gewehr auf, um es auf mich zu richten.
Rasch legte ich auf ihn an. Ich wollte ihn nicht töten und zielte auf seine linken Ellbogen, den er mir sehr zielgerecht in die Höhe hielt. Ich drückte ab. Er ließ sein Gewehr fallen, schrie laut auf und stürzte von der Hütte hinab. Der andere wandte sich schleunigst um, sprang gleichfalls hinunter und rannte nach dem Feuer hin. Es war Bybar, der Skipetar. Am Feuer saßen sein Bruder, Manach el Barscha und Barud el Amasat.
„Sie kommen, sie kommen! Geht vom Feuer weg!“ brüllte er. „Sie sehen euch und können auf euch zielen.“
Die drei sprangen auf und alle vier rannten in den Wald hinein. Derjenige, auf welchen ich zuletzt geschossen hatte, war also wahrscheinlich der alte Mübarek. Und nun erinnerte ich mich, daß sein Arm ungewöhnlich dick gewesen war. Er hatte ihn unter dem Ärmel verbunden, infolge des Schusses, der ihn bei der Ruine von Ostromdscha getroffen hatte.
Ich kroch vor bis zu dem Rand der Plattform. Richtig! Da unten auf der Erde, sechs Ellen oder etwas tiefer unter mir, lag die lange, hagere Gestalt regungslos. Oben hatte ich die beiden nicht erkannt, da zwischen dem Zaun hindurch nur ihre Umrisse zu erkennen gewesen waren.
Hierher, an die Seite der Hütte, wo ich hinabblickte, konnte der Schein des Feuers nicht dringen. Es war leidlich dunkel da. War es mir möglich, an dieser Stelle hinabzukommen, so konnte ich von den hinter den Bäumen Versteckten nicht gesehen werden.
Da hörte ich hinter mir:
„Sihdi, ich bin da. Darf ich heraus?“
„Ja, Halef; doch stelle dich nicht aufrecht, sonst sehen sie dich und schießen auf dich.“
„O, wir sind ja kugelfest!“
„Scherze nicht. Komm!“
Er kroch heraus.
„Ah, wer liegt hier?“
„Der Fleischer. Die Kugel hat ihn getötet, wie ich es dachte.“
„So hat ihn die Strafe sehr schnell ereilt. Allah sei ihm gnädig!“
Als ich mich genauer umschaute, sah ich einen eisernen Ring, welcher an dem Felsen befestigt war. Von diesem Ring hing der Doppelstrick, welchen wir schon gesehen hatten, als der Mübarek emporgezogen wurde, über die Plattform nach außen hinab.
„Daran hat der Gefängniswärter sich hinabgelassen“, meinte Halef.
„Wahrscheinlich. Diese Vorrichtung ist mit Berechnung hier angebracht. Sollte das heutige Spiel bereits schon mit anderen vorgenommen worden sein?“
„Ah, Effendi, vielleicht sind schon Menschen da unten verhungert und verschmachtet!“
„Diesen Schurken ist so etwas schon zuzutrauen; wenigstens mit uns hatten sie es ernstlich vor. Lassen wir dieses Seil nach innen hinab, so können Osco und Omar emporkommen.“
Dies geschah. Bald kauerten die beiden neben uns. Wir strengten unsere Augen an, versuchten aber vergeblich, einen der in den Wald Geflohenen zu entdecken.
Ich zog das Seil nun wieder herauf und machte die Klappe zu.
„Meinst du, daß wir nun das Seil da außen hinunterlassen und an demselben unbemerkt hinabklettern können?“ fragte Halef.
„Ja“, erwiderte ich, „denn es ist dunkel hier. Übrigens wollen wir die Probe machen. Lassen wir erst die Leiche hinab. Auf diese mögen sie feuern. Ich halte den Stutzen bereit. Wenn ihre Schüsse aufblitzen, habe ich ein Ziel.“
Man zog der Leiche den Strick unter den Armen hindurch und ließ sie hinab, recht langsam, um die Gegner zum Schießen zu verführen; aber es regte sich nichts.
„So will ich nun zuerst hinab“, sagte ich. „Ich krieche sofort in das Gebüsch und von da aus weiter in den Wald hinein. Da muß ich sie sehen, wenn sie noch hier sind. Es ist ein Quell da; folglich kann es Unken und Frösche hier geben. Ein solcher Ruf fällt also nicht auf. Ihr bleibt so lange hier oben, bis ihr mein Zeichen hört. Vernehmt ihr den Ruf einer Unke, so bleibt ihr, bis das Feuer dort erloschen ist. Quakt aber ein Frosch, nur einmal und recht tief,
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