16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
Entschuldige bitte das ganze Durcheinander«, murmelte Sally und starrte untröstlich zu Boden.
» Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte Henrique. » Eine so viel beschäftigte Lady kann nicht jede Kleinigkeit im Kopf haben. Deswegen sie hat ihren liebenswürdigen Cousin.« Er nickte Willis senior zu, dann wandte er sich mit warmem Lächeln wieder Sally zu. » Das Leben ist kurz, Lady Sarah. Wir wollen es nicht mit Bedauern vergeuden. Wir wollen das Beste machen aus unsere Zeit.«
» Ja«, murmelte Sally, und als sie den Blick zu ihm hob, wogte ihm ihr ganzer Körper entgegen. » Wir wollen das Beste aus unserer Zeit machen.«
In diesem Moment schwang die Tür des Wintergartens auf, wie um zu verhindern, dass sich Sally vollends in Henriques Arme warf. Sie zuckte zusammen, richtete sich mit einem schuldbewussten Blick in Willis seniors Richtung auf und trat einen kleinen Schritt von Henrique zurück.
» Ladies und Gentlemen«, verkündete Deirdre, » der Brunch wird nun serviert.«
» Sarah, wenn du erlaubst?«, sagte Willis senior und bot ihr seinen Arm. » Señor Cocinero wird Lori zu Tisch begleiten.«
Während Henrique mir seinen Arm reichte und ich ihn unterfasste, verspürte ich einen unerwarteten Anflug von Mitleid für Willis senior. Er mochte alle erdenklichen Tricks anwenden, um zu verhindern, dass sich Sally und Henrique nahekamen, aber ich wusste genau, dass keine Macht der Erde das süße Lied der Liebe zum Verstummen bringen konnte.
11
Wenn von einem Brunch die Rede war, dachte ich normalerweise an arme Ritter mit Erdbeeren, belgische Waffeln, lockere Omeletts, Eier Benedikt, Spinat-Frittata, gedünsteten Lachs mit Dillsauce und Körbe voller hausgemachter Muffins frisch aus dem Ofen. Ich stellte mir einige Speisewärmer vor, die auf einem leinenbedeckten Sideboard in Reih und Glied standen, und daneben Glaskrüge mit Saft, Milch und vielleicht einem oder zwei leichten alkoholischen Getränken.
Als ich jedoch auf dem Teakholztisch im Wintergarten nur vier Gedecke erblickte mit geheimnisvoll unter Speiseglocken verborgenen Tellern, war ich reichlich verwirrt. Als Deirdre der Reihe nach die Glocken lüpfte, war mir auf Anhieb klar, dass sie– ob freiwillig oder unfreiwillig– mit meinem Schwiegervater konspiriert und Henrique die Gerichte der Spitzenküche versagt hatte, die Sally ihrem Gast so gern serviert hätte. Zwar lag es Willis senior fern, Henrique mit verdorbenen Speisen zu vergiften, aber er fühlte sich nicht zu erhaben, um seinem ungebetenen Gast ein Essen zu kredenzen, das ihm ein ordentliches Sodbrennen bescheren würde.
Über jeden Teller wölbte sich randvoll ein traditionelles englisches Frühstück, landläufig auch einfach Pfannengericht genannt, da tatsächlich jeder einzelne Bestandteil des deftigen Mahls in der Pfanne gebraten wurde: gebratene Eier, gebratener Speck, gebratene Würstchen, gebratene Tomaten, gebratenes Brot, gebratene Champignons und dazu Dosenbohnen in einer Pfütze Tomatensauce. Gut zubereitet, konnte ein solches Pfannengericht ein durchaus schmackhaftes, wenngleich herzinfarktförderndes Essen sein, aber Deirdre hatte offensichtlich die Anweisung erhalten, ihr Schlechtestes zu geben.
Die Eier schmeckten wie Gummi, die Würstchen waren verbrannt, die Tomatensauce war zu einer geschmacklosen Pampe verkocht, und das Ganze schwamm in einem langsam sich erhärtenden See aus Schweineschmalz. Neben jedem Teller stand ein Toastgestell mit verkohlten Toastscheiben, und statt mit Champagner hatte Deirdre unsere Becher mit einem Tee gefüllt, mit dem man ebenso Holzmöbel hätte beizen können, nein sollen.
Ein solch schauderhaftes Essen zu kochen, musste Deirdre Qualen bereitet haben, doch sie verzog keine Miene, während sie mit einer Teekanne neben dem Sideboard stand, um jederzeit unsere Tassen aufzufüllen.
Sally starrte trostlos auf den unappetitlichen Fraß auf ihrem Teller, seufzte aus tiefer Brust und warf Willis senior einen vorwurfsvollen Blick zu, ehe sie sich an Henrique wandte.
» Ich hoffe, es macht dir…«
» Fantástico!«, rief er übers ganze Gesicht strahlend aus. » Das ist das englische Pfannengericht, von dem ich schon so viel gehört habe. Ach, du sorgst dafür, dass ich mich fühle nicht wie ein Besucher, aber wie eine richtige Engländer. Vielen Dank, dass du mich so herzlich empfängst, Lady Sarah. Gracias y salud!«
Ohne einen Augenblick innezuhalten und an die Konsequenzen seines Tuns zu denken, griff er zu Gabel und Messer
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