16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)

Lösung suchte, klingelte mein Handy. Ich fischte es aus meiner Handtasche und fragte mich, wo es nun schon wieder gebrannt haben mochte, während ich im Arbeitszimmer festsaß.
    » Lori?« Es war Willis senior. » Würdest du bitte zu mir in das Gesellschaftszimmer kommen? Mit meinen Schnupftabakdosen ist etwas Merkwürdiges passiert.«
    » Bin schon unterwegs«, sagte ich angespannt.
    Ich stopfte mein Handy in die Tasche zurück und flitzte ins Gesellschaftszimmer. Ich war mir so sicher, dass die wertvolle Sammlung gestohlen worden war, dass ich » Aha!« rief, als ich die leere Vitrine erblickte.
    » Aha?«, fragte Willis senior.
    » Ja genau!«, sagte ich eifrig. » Aha– das sagt man doch, wenn man einen Diebstahl entdeckt.«
    » Allmählich frage ich mich, welches Buch du momentan liest. Wenn es ein Krimi ist, würde ich vorschlagen, du legst ihn vorerst beiseite. Er hat offensichtlich deine Fantasie beflügelt. Hier hat kein Diebstahl stattgefunden, Lori.«
    » Wo sind dann deine Schnupftabakdosen?«
    » Dort.« Er wies über die Schulter.
    Ich wirbelte herum und sah, dass die Schnupftabakdosen in einem ordentlichen Kreis auf dem Beistelltisch neben dem berüchtigten Armsessel angeordnet waren.
    » Was machen sie denn da?«
    » Das weiß ich auch nicht«, sagte Willis senior. » Gehe ich also recht in der Annahme, dass du sie nicht dorthin geräumt hast?«
    » Natürlich, warum sollte ich das tun?« Ich drehte mich wieder zu ihm um. » Du auch nicht?«
    » Nein.« Willis senior rieb sich das Kinn. » Es scheint mir doch recht abwegig, dass einer der Handwerker den unwiderstehlichen Impuls verspürt haben sollte, mein Gesellschaftszimmer umzudekorieren, und Lady Sarah leugnet, hinter diesem Streich zu stecken. Da Fairworth House soweit ich weiß nicht von Poltergeistern heimgesucht ist, habe ich Mrs Donovan gebeten, kurz zu uns zu kommen, in der Hoffnung, dass sie eine rationale Erklärung für diesen und einen weiteren seltsamen Umstand liefern wird.«
    » Was für ein weiterer seltsamer Umstand?«
    » Der Messingkompass wurde aus dem Billardzimmer entfernt. Jetzt steht er auf dem Kartenschrank in der Bibliothek. Ach, Mrs Donovan«, sagte er, als Deirdre den Raum betrat. » Tut mir leid, wenn ich Sie bei Ihrer morgendlichen Routine störe, aber ich würde gern wissen, ob Sie eine Erklärung haben hierfür…« Er machte eine Geste zur Vitrine und zum Beistelltisch hin. » Wie Sie sehen, sind meine Schnupftabakdosen nicht mehr an ihrem Platz.«
    Deirdres Blick wanderte von dem Tisch zur Vitrine, dann sah sie Willis senior an. Den Bruchteil einer Sekunde lang hatte ich den untrüglichen Eindruck, dass sie genauso verblüfft war wie wir, aber dann antwortete sie schnell: » Es tut mir sehr leid, Sir. Ich habe die Schnupftabakdosen heute Morgen aus der Vitrine herausgenommen, weil ich sie abstauben wollte. Als die Handwerker eintrafen, muss ich wohl so abgelenkt gewesen sein, dass ich vergaß, sie an ihren Platz zurückzubringen.«
    » Und der Kompass?«, fragte Willis senior.
    » Der Kompass, Sir?«
    » Der Kompass, der immer im Billardzimmer war, ist nun in der Bibliothek.«
    » Verzeihen Sie, Sir«, sagte sie. » Aber ich dachte, es macht mehr Sinn, wenn sich der Kompass in der Nähe der Landkarten befindet statt beim Billardtisch.«
    » Zufällig stimme ich Ihnen, was den Kompass anbelangt, zu, und deswegen bleibt er, wo Sie ihn hingestellt haben. Dennoch muss ich nochmals darauf bestehen, dass Sie in Zukunft zuerst mit mir sprechen, ehe Sie auch nur die geringste Veränderung an meiner Einrichtung vornehmen.«
    » Ja, Sir.«
    Ich verfolgte jede ihrer Bewegungen, als sie die Schnupftabakdosen vom Tisch in die Vitrine zurückräumte. Ich konnte sie wohl kaum des Diebstahls bezichtigen, denn sie hatte nichts gestohlen. Ebenso wenig konnte ich Willis senior sagen, das Manöver sei die Vorarbeit zu einem beabsichtigten Diebstahl, weil er mich sonst für paranoid halten würde. Das Einzige, was ich tun konnte, war, Deirdre auf subtile Weise wissen zu lassen, dass ich sie im Auge behalten würde.
    » Ich habe zehn Dosen gezählt.« Ich beobachtete, wie sie die Vitrinentür schloss. » Zehn Dosen. Nicht acht. Nicht neun. Zehn.«
    » Deine arithmetischen Künste wurden zur Kenntnis genommen«, sagte Willis senior und sah mich mit leichter Verwunderung an. » Dass die Sammlung zehn Schnupftabakdosen umfasst, ist eine unbestreitbare Tatsache. Aber warum es dir ein Bedürfnis ist, sie zu…« Er unterbrach sich mitten