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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zu.
    «Ich habe gemerkt, dass Sie das tatsächliche Datum des Verbrechens noch nicht preisgeben.»
    «Nein, das behalten wir vorläufig für uns. Am Anfang einer Ermittlung habe ich gern noch einen Trumpf im Ärmel.»
    Bacon war ganz seiner Meinung.
    «Stimmt, es ist immer das Beste, man rückt erst im entscheidenden Moment damit raus», meinte er.
    «Dann wollen wir mal hören, was unser korrekter City-Gentleman zu der Sache zu sagen hat», sagte Craddock.
    Der zugeknöpfte Harold Crackenthorpe hatte sehr wenig zu sagen. Einfach geschmacklos – ein äußerst unglücklicher Vorfall. Er fürchte, die Zeitungen… die ersten Reporter hätten seines Wissens schon um Unterredungen gebeten… Dieser ganze Firlefanz… äußerst bedauerlich…
    Harolds abgehackte Satzfetzen rissen ab. Er lehnte sich mit der Miene eines Mannes zurück, dem ein übler Gestank in die Nase gestiegen ist.
    Die Nachfragen des Inspectors blieben ergebnislos. Nein, er habe keine Ahnung, wer die Frau war oder gewesen sein könne. Ja, er habe Weihnachten in Rutherford Hall verbracht. Er habe London erst Heiligabend verlassen können – sei aber über das folgende Wochenende geblieben.
    «Das war’s dann schon», sagte Inspector Craddock, ohne Harold mit weiteren Fragen zuzusetzen. Ihm war bereits klar geworden, dass dieser keine große Hilfe sein würde.
    Als Nächstes nahm er sich Alfred vor, der mit leicht übertriebener Nonchalance den Raum betrat.
    Alfred Crackenthorpe kam Craddock dunkel bekannt vor. Dieses Familienmitglied hatte er doch schon gesehen? Oder war sein Bild in der Zeitung gewesen? Die Erinnerung hatte einen leichten Hautgout. Er erkundigte sich nach Alfreds Beruf, bekam aber nur eine ausweichende Antwort.
    «Momentan bin ich im Versicherungswesen. Vor kurzem habe ich einen neuen Diktaphontyp auf den Markt gebracht. Ziemlich revolutionär – übrigens hervorragend angekommen.»
    Inspector Craddock nickte anerkennend – und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass ihm die oberflächliche Eleganz von Alfreds billigem Anzug auffiel. Cedrics Garderobe war unansehnlich und fadenscheinig, bestand aber aus einstmals feinem Tuch mit gutem Schnitt. Hier hatte er einen Talmiglanz vor sich, der seine eigene Geschichte erzählte. Craddock stellte freundlich seine Routinefragen. Alfred schien interessiert – sogar leicht amüsiert.
    «Keine schlechte Idee, dass die Frau mal hier gearbeitet haben könnte. Aber nicht als Zofe; ich glaube, so was hat meine Schwester nie gehabt. Hat doch heutzutage keiner mehr. Aber ausländische Hausangestellte hatten wir natürlich immer wieder. Polen – und ein paar sture Deutsche. Aber da Emma die Frau definitiv nicht erkannt hat, fällt die Möglichkeit wohl ins Wasser, Inspector. Emma hat ein hervorragendes Gesichtergedächtnis. Nein, wenn die Frau aus London kam… wie kommen Sie übrigens darauf, dass sie aus London kam?»
    Er ließ die Frage en passant einfließen, aber seine Augen waren hellwach und gespannt.
    Inspector Craddock lächelte und schüttelte den Kopf.
    Alfred sah ihn prüfend an.
    «Wird nicht verraten, was? Eine Rückfahrkarte in der Manteltasche oder so etwas?»
    «Könnte sein, Mr. Crackenthorpe.»
    «Also angenommen, sie kam aus London, dann hielt der Bursche, den sie hier treffen wollte, die Große Scheune vielleicht für den idealen Ort, um sie still und heimlich um die Ecke zu bringen. Er kennt sich hier ja offensichtlich bestens aus. An Ihrer Stelle würde ich nach dem suchen, Inspector.»
    «Das tun wir», sagte Inspector Craddock. Die drei kleinen Wörter klangen ruhig und zuversichtlich.
    Er dankte Alfred und entließ ihn.
    «Wissen Sie was», sagte er zu Bacon, «ich kenne diesen Kerl irgendwoher…»
    Inspector Bacon sprach über Alfred das Urteil.
    «Aalglatter Bursche», sagte er. «So glatt, dass er manchmal ausrutscht.»
     
    II
     
    «Ich weiß gar nicht, ob Sie mich überhaupt sprechen wollen», sagte Bryan Eastley schüchtern, als er ins Zimmer trat und gleich an der Tür stehen blieb. «Ich gehöre im Grunde gar nicht zur Familie –»
    «Mal sehen. Sie sind Mr. Bryan Eastley, der Witwer der vor fünf Jahren verstorbenen Miss Edith Crackenthorpe?»
    «Das stimmt.»
    «Wir sind Ihnen für Ihre Mitarbeit sehr dankbar, Mr. Eastley, besonders wenn Sie etwas wissen, das uns Ihres Erachtens auf die eine oder andere Weise weiterhilft.»
    «Aber ich weiß nichts. Würde ich ja gerne. Die ganze Sache ist so verflixt komisch, nicht wahr? Kommt die her und trifft mitten

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