160 - Die Mörderkette
stiegen hoch. Graue Dämpfe fanden sich zu einer schmalen Gestalt, die vor dem Mädchen aufragte.
Eben noch hatte sie schreckliche Angst gehabt, und sie wollte zum Fenster stürzen, es aufreißen und gellend um Hilfe rufen, doch nun sah sie, daß das nicht nötig war. Vor diesem Wesen brauchte sie keine Angst zu haben, denn das war Boram, ein weißer Vampir. Shelley hatte ihn in Tony Ballards Haus kennengelernt. Er war ein zuverlässiger Freund des Dämonenjägers. Von ihm hatte sie bestimmt nichts zu befürchten.
»Boram«, krächzte das Mädchen und faßte sich verlegen lächelnd ans Herz. »Liebe Güte, haben Sie mich erschreckt.«
»Das tut mir leid, Shelley«, erwiderte der Nessel-Vampir hohl und rasselnd.
Sie strich sich fahrig über das Haar. »Schon gut, es geht mir bereits wieder besser.«
»Tony Ballard bat mich, auf Sie achtzugeben.«
Shelley Robinson sah den weißen Vampir überrascht an. »Was befürchtet er? Bin ich in Gefahr?«
»Nicht, wenn ich Sie beschütze«, antwortete Boram. Er erzählte dem Mädchen davon, was Vicky Bonney getan hatte.
Shelley stieß entgeistert die Luft aus. »Erschießen? Sie wollte Tony, den Mann, den sie liebte, erschießen?«
»Sie war hypnotisiert.«
»Von wem?«
»Von zwei Hexen, und es geschah hier in der Nähe, als Vicky in ihren Wagen steigen wollte«, berichtete der Nessel-Vampir.
»Und nun befürchtet Tony Ballard, diese Hexen könnten sich an mir vergreifen«, überlegte Shelley Robinson laut. »Vielleicht, um ihn unter Druck setzen zu können.«
»Man weiß nie, was diesen Teufelsbräuten einfällt«, sagte Boram. »Doch solange ich hier bin, kann niemand Ihnen etwas anhaben.«
Shelley lächelte den weißen Vampir dankbar an. »Ich bin froh, daß Sie hier sind, Boram.«
Der Nessel-Vampir lachte verhalten. »Sie können immer auf mich zählen.«
***
Mich überlief es heiß und kalt zugleich. Ich bremste meinen Rover scharf ab und schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn. »Mein Gott, wie konntest du nur so blind sein!« schrie ich gegen die Windschutzscheibe. »Wie konntest du dich nur so täuschen lassen?« Ich öffnete das Seitenfenster, denn ich hatte dringend frische, kühle Luft nötig. Ich war total aus der Fassung. Wie Schuppen war es mir von den Augen gefallen. Auf einmal sah ich klar, aber vielleicht schon zu spät.
Verdammt, Shelley Robinson war in größter Gefahr! Das Wesen, das ich vor ihre Tür gestellt hatte, konnte nicht Boram sein!
Boram, der echte Boram, war wortkarg. Der, den ich in meinem Haus angetroffen hatte, war jedoch sehr redselig gewesen.
Der echte Boram nannte mich »Herr!« Oft schon hatte ich ihm das abzugewöhnen versucht. Es hatte nicht geklappt. Er war nicht dazu zu bewegen, mich Tony zu nennen, wie alle meine Freunde. Jener Boram aber hatte mich nur Tony genannt und niemals Herr.
Ein weiterer Beweis dafür, daß es sich um einen anderen Dampf-Vampir handelte, war die Tatsache, daß Boram keinen Finger für mich gerührt hatte, als Vicky Bonney auf mich schoß.
Teufel noch mal, ich hatte mich täuschen lassen. Mr. Silver ebenfalls.
Wir hatten das Wesen, das sich in mein Haus einschlich, für Boram gehalten, in Wirklichkeit aber konnte es nur Rufus, der Dämon mit den vielen Gesichtern, gewesen sein. Er konnte jede Gestalt annehmen. Auch die des Nessel-Vampirs. Er hatte den weißen Vampir gut kopiert, aber nicht perfekt.
Es hatte dennoch genügt, um uns hinters Licht zu führen, und ich hatte einen unserer größten Feinde zu Shelley Robinson gebracht. Das war fast dasselbe, als hätte ich sie direkt an den Skelettdämon ausgeliefert.
Ich muß zu ihr! schrie es in mir. Sie ist in großer Gefahr! Rufus wird in ihr Apartment eindringen und… Was wird er mit ihr tun?
***
Shelley Robinson lächelte verlegen. »Eigentlich…« begann sie, »eigentlich hatte ich die Absicht, zu Bett zu gehen.«
»Davon muß ich Ihnen abraten«, entgegnete Boram.
»Ich bin müde.«
»Sie müsen das Apartment mit mir verlassen«, sagte Boram. »Ich habe beschlossen, Sie in ein sicheres Versteck zu bringen.«
»Und wo wäre das?«
»Sie werden es sehen«, antwortete der Nessel-Vampir.
»Hat Tony Ballard Ihnen das aufgetragen?«
»Nein. Auch Tony dürfen Sie nicht rückhaltslos trauen. Er könnte ebenso an die Hexen geraten wie Vicky Bonney. Stellen Sie sich vor, er kommt hypnotisiert zu Ihnen. Packen Sie ein, was Sie mitnehmen möchten.«
»Aber ich will meine Wohnung nicht verlassen.«
»Sie müssen.«
»Erst, wenn
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