160 - Die Mörderkette
ich mit Tony gesprochen habe und er damit einverstanden ist«, erwiderte Shelley.
Da ließ Rufus, der Dämon mit den vielen Gesichtern, die Maske fallen. Er hatte die Geduld verloren und präsentierte sich dem Mädchen in seiner wahren Gestalt: als bleiches Skelett, das eine schwarze Kutte mit hochgeschlagener Kapuze trug.
Als der Dämon sich verwandelte, stockte dem Mädchen der Atem. Einen Herzschlag später wollte Shelley Robinson am Knochendämon vorbeistürmen, doch der Knöcherne sprang ihr in den Weg, und sie hörte ein metallisches Klicken.
Stahlstacheln waren aus den Kuttenärmeln geschnellt, mit magisch vergifteten Spitzen. Rufus setzte Shelley Robinson die Stacheln ans Herz und knurrte:
»Du hast die Wahl: Entweder kommst du mit mir, oder ich töte dich auf der Stelle!«
Shelley begriff nichts mehr. »Wieso sind Sie nicht mehr Boram?«
»Weil ich Rufus bin, der Dämon mit den vielen Gesichtern. Es ist Zeit, mit Tony Ballard abzurechnen, und du wirst mir dabei helfen.«
»Niemals!«
Rufus lachte blechern.
***
Ich kehrte um, riß den Hörer des Autotelefons aus der Halterung und rief zu Hause an. Mr. Silver meldete sich. »Wo geisterst du denn herum?« wollte der Ex-Dämon wissen. »Es kann doch nicht so lange dauern, Boram vor Shelley Robinsons Tür zu stellen. Es sei denn, sie ist nach Australien ausgewandert.«
»Silver, wir sind die größten Rindviecher aller Zeiten!« platzte es aus mir heraus, während ich zu Shelley zurückfuhr. »Wir haben uns von Rufus austricksen lassen.«
»Unmöglich.«
»Was nicht sein darf, ist nicht, wie?« sagte ich grimmig. »Verdammt, Silver, wir hatten Rufus im Haus und merkten es nicht.«
»Hör mal, du tickst wohl nicht richtig!« empörte sich Mr. Silver.
»Rufus täuschte uns in Borams Gestalt«, stellte ich fest. »Die Wiedersehensfreude machte uns blind. Wir glaubten nur zu gern, daß es Boram geschafft hatte, zu uns zurückzukehren - und ich Wahnsinniger stellte Shelley Robinson unter seinen Schutz. Ich werde es mir nie verzeihen, wenn Rufus ihr etwas antut.«
Der Ex-Dämon wollte nicht glauben, daß ich recht hatte. Ich machte ihn mit meinen Überlegungen bekannt, und er mußte zugeben, daß sie nicht aus der Luft gegriffen waren.
Ich erzählte meinem Freund auch noch im Telegrammstil von Homer Sykes und seiner würgenden Kette.
»Die Sache nimmt höchst unerfreuliche Formen an, Tony«, bemerkte Mr. Silver gepreßt.
»Da bin ich ausnahmsweise einmal deiner Meinung.«
»Was kann ich tun?« fragte der Hüne.
»Im Moment leider nichts«, antwortete ich. »Oder doch, eines: Drück mir die Daumen, daß es mir gelingt, Rufus zu erwischen, bevor er Shelley etwas antut.«
***
Nobitha und Yolanda beobachteten in diesem Augenblick durch ihr fliegendes Auge Rufus. Sie hatten gesehen, wie er sich verwandelte. Ohne die Augen zu öffnen - den Blick weiterhin nach innen gekehrt - fragte Yolanda: »Wer ist das?«
»Du kennst ihn nicht?« fragte Nobitha verwundert. »Das ist Rufus, der Dämon mit den vielen Gesichtern, ein Mitglied des Höllenadels.«
»Warum bringt er dieses Mädchen fort?«
»Vermutlich will er Tony Ballard damit einen Tiefschlag versetzen. Das ist genau in unserem Sinn, Schwester. Was hältst du davon, wenn wir Rufus hierher holen?«
»Ist das denn möglich?«
»Selbstverständlich. Du wirst es gleich sehen.«
Als Rufus mit Shelley Robinson aus dem Haus trat, hockte eine Krähe auf dem Bürgersteig. Der Vogel schien auf den Knochendämon gewartet zu haben. Jetzt krächzte er und schlug mit den Flügeln, um auf sich aufmerksam zu machen. Rufus sah die Höllenglut in den Augen des Tieres und wußte, daß er keinen gewöhnlichen Vogel vor sich hatte. Die Krähe flog hoch und die Straße hinunter; nach kurzem Flug kehrte sie um, flog auf Rufus und das Mädchen zu, wendete und zeigte dem Knochendämon die Richtung, in die er gehen sollte.
Rufus wollte wissen, wer ihn auf diese ungewöhnliche, aber leicht verständliche Weise zu sich locken wollte, und folgte deshalb der Krähe.
In Hampstead erwarteten den Knochendämon dann zwei Hexen, die ihn um seine Unterstützung baten.
Da es gegen Tony Ballard und seine verhaßten Freunde ging, ließ sich Rufus nicht lange bitten.
Shelley Robinson fühlte sich einem Nervenzusammenbruch nahe.
»Wir haben einen guten Köder«, sagte der Skelettdämon, auf das blonde Mädchen weisend. »Damit läßt sich Tony Ballard bestimmt leicht fangen.«
Nobitha knirschte laut mit den Zähnen. »Ich möchte
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