160 - Die Mörderkette
Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser.«
Sie schickten ihr fliegendes Auge wieder los. Diesmal würde es nicht so bald zurückkehren, doch selbst auf größte Entfernungen würde die Verbindung nicht abreißen.
Die Krähe verließ das Haus. Nobitha und Yolanda schlossen die Augen und verfolgten vor ihrem inneren Auge den Flug des Vogels. Sie sahen Dächer, Straßen und Plätze unter sich, erkannten das dunkle Grün der nächtlichen Parks, und von weitem schimmerte ihnen das silberne Band der Themse entgegen.
Der Flug war für die Hexen ein Erlebnis.
Der Vogel erreichte Paddington und fand zielsicher die Chichester Road, und kurz darauf schauten die Hexen in Tony Ballards Haus. Sie sahen Vicky Bonney und Mr. Silver, nicht jedoch den Dämonenjäger.
Aus der Art, wie Vicky Bonney und Mr. Silver miteinander sprachen, ließ sich für die Hexen ableiten, daß Tony Ballard noch lebte.
»Ich kann es verwinden«, flüsterte Nobitha. »Es ist noch nicht aller Tage Abend. Wenn wir Tony Ballard so nicht erwischt haben, wird ihn der Tod eben auf eine andere Art ereilen.«
***
Die schwarzmagische Kette griff mich an. Für sie war der Colt Diamondback nicht die richtige Waffe, deshalb rammte ich den Revolver ins Leder. Eine massive Eisenschelle traf mich schmerzhaft an der Schulter. Ich wich nicht zurück, sondern warf mich der »lebenden« Kette entgegen. Mit beiden Händen griff ich zu und wollte die Kette zu Boden schleudern, doch sie schien in der Luft verankert zu sein.
Mir war, als würde ich gegen einen fliegenden Kraken kämpfen. Ich konnte die Kette nicht überall festhalten. Die Enden, die ich nicht mit meinen Händen umklammerte, schwangen auf mich zu und hämmerten wild auf mich ein. Ich ließ die Kette los, und sie wechselte sofort ihre Taktik: Jetzt wollte sie mir unbedingt an die Gurgel gehen. Ich wehrte sie ab.
Was Homer Sykes inzwischen machte, entzog sich meiner Kenntnis. Ich hatte keine Gelegenheit, mich umzudrehen, denn die verdammte Kette beschäftigte mich ununterbrochen.
Ich wollte mich mit einem meiner drei silbernen Wurfsterne bewaffnen, doch die Kette verhinderte es mit harten Schlägen. Sie warf mich gegen die Backsteinwand und erwischte dann doch meinen Hals. Die dicken Glieder legten sich übereinander und schnürten mir die Luft ab. Ich kämpfte verbissen, sackte zu Boden, bemühte mich, den Griff der schwarzen Kette zu lockern.
Vergeblich.
Das verfluchte Ding war zu stark!
Ich ließ von der Kette ab und öffnete mit zitternden Fingern mein Hemd. Schnell! Schnell! hämmerte es in meinem Kopf. Sonst bist du erledigt!
Wenn es mir nicht gelang, den Dämonendiskus freizulegen, solange ich noch bei Bewußtsein war, gab es keine Rettung für mich…
***
Tammy Duvall zündete eine Zigarette an der anderen an. Sie rauchte nervös und trank, mehr, als ihr guttat, aber sie wurde nicht betrunken, und die Angst, die sie peinigte, blieb. Sie hoffte, daß sich James Tandy noch einmal mit ihr in Verbindung setzen würde. Vielleicht konnte sie ihn bei der Gelegenheit überreden, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen. Schließlich stand auch er auf Homer Sykes’ Abschußliste, und wenn sie beisammen waren, konnten sie sich besser vor ihm schützen. Ihr fiel ein, daß sie der Polizei den Namen des Täters verschwiegen hatte. Sie suchte den Namen zuerst im Telefonbuch. Es gab etliche Sykes, doch keinen Homer. Vielleicht hat er einen falschen Namen genannt, dachte Tammy Duvall. Bestimmt sogar. Wer gibt schon seinen wahren Namen preis, wenn er die Absicht hat, einen Mord zu verüben?
Dennoch wollte Tammy den Namen des Mörders nicht für sich behalten. Sie wählte noch einmal den Polizeinotruf.
»Der Mann, der Joshua Mackendrick und Jerry Howard ermordet hat, heißt Homer Sykes«, sagte sie. »Homer Sykes. Haben Sie den Namen verstanden? Er hat Komplizinnen: Yolanda und Nobitha. Sie sollten nicht denken, ich wäre nicht ganz bei Trost. Was ich sage, ist die Wahrheit.«
»Wieso sind Sie so gut informiert?« wollte der Beamte wissen.
»Sehen Sie zu, daß Sie Sykes kriegen«, antwortete Tammy Duvall und legte auf.
Gierig zog sie an ihrer Zigarette und pumpte den Rauch tief in sich hinein. Sie erinnerte sich an ein TV-Interview mit dem französischen Chansonnier Gilbert Becaud. Auf seinen überhöhten Zigarettenkonsum angesprochen, hatte Monsieur 100 000 Volt geantwortet: »Jeder Mensch hat das Recht, seinen eigenen Tod zu wählen. Ich habe mich entschieden.« Und in Tammys Fall war es
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