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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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sie mit dem Schädel von sich.
    Aruula taumelte rücklings gegen die Felswand, schlug mit dem Hinterkopf dagegen und verlor das Bewusstsein…
    ***
    Als sie wieder zu sich kam, klopfte dumpfer Schmerz in ihrem Schädel. Die Zunge klebte an ihrem brennenden Gaumen, in ihren Augen stach es, und bei jedem Atemzug brannten ihre Lungen. Ein Licht flackerte in der Höhle, ein Schatten tanzte, an der Wand, es roch süßlich.
    »Trink«, sagte eine Frauenstimme. »Trink, das wird dir gut tun.« Aruula trank.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte oder bewusstlos gewesen war, oder was auch immer. Sie hatte keinerlei Erinnerung an das, was geschehen war. Doch, halt – SAK! Sie hatte die Riegel weggeworfen. Oder? Bangen Herzens lauschte sie in sich, während sie das frische Wasser schluckte. Nein, da war keine Gier, kein Verlangen mehr nach dem rotbraunen Giftzeug.
    »Nicht so viel auf einmal.« Die fremde Frau nahm den Becher von ihren Lippen. »Das bekommt dir nicht. Lieber in kleinen Schlucken.« Sie lächelte. Aruula sah, dass sie sehr jung war, und sehr schön.
    »Wer bist du?« Sie roch gut. Nach einer Blume, die Aruula von ihren langen Wanderungen durch Zentraleuree kannte und deren Name ihr nicht einfallen wollte.
    »Eva. Ich bin im Haus des Generals beschäftigt. Gebra schickt mich. Der Rotbart hält sie in seinem Biirkeller gefangen. Taratzen wüten in den Gassen von Kabuul. Sie zerreißen jeden, den sie erwischen…«
    Sie hatte also wirklich nicht fantasiert: Die Taratzen existierten. Aruula erfuhr, dass sie in die Ruinenstadt eingefallen waren und regelrechte Treibjagden auf die Bewohner veranstalten. Schon fast die Hälfte der knapp fünfhundert Menschen in Kabuul war den Bestien zum Opfer gefallen. Der größte Teil der Überlebenden hatte sich im Götterhaus verschanzt, eine kleinere Gruppe im Hauptquartier der WEER.
    »Der General hat Gebra angekettet«, berichtete die junge Frau. »Er gibt ihr kein SAK, und wenn sie schreit, schlägt er sie. Und sie schreit oft. Sie hat mir Leid getan, deswegen bin ich heimlich aufgebrochen. Gebra braucht deine Hilfe.«
    Aruula stieß ein bitteres Lachen aus. »Was meint sie mit Hilfe – SAK? Besitze ich nicht mehr.«
    »Nein, das meint sie nicht.« Eva schüttelte den Kopf.
    »Gebra ist so gut wie tot, wenn niemand sie aus dem WEER-Keller befreit. Der General ist tödlich beleidigt, weil sie ihn einst verlassen und bestohlen hat. Er wird sie umbringen, wenn er sich an ihren Leiden satt gesehen hat. Und wenn er sie nicht tötet, dann werden die Dalliwaan sie steinigen oder die Taratzen sie fressen.«
    Aruula setzte sich auf. Die Höhlenwände, die Öllampe, der Kamshaa-Bulle, die Frau – alles drehte sich. »Gib mir mehr zu trinken, bitte.«
    Eva füllte den Becher aus einem Wasserschlauch und reichte ihn der Frau von den Dreizehn Inseln. Die leerte ihn auf einen Zug. »Wie bist du aus Kabuul herausgekommen, wenn doch die Straßen von Taratzen wimmeln, wie du sagst? Und wie sollen wir hineinkommen, wenn ich mich entscheiden würde, Gebra zu helfen?«
    »Es gibt ein unterirdisches Gangsystem, das vom Berliner Platz aus auf vier Wegen aus der Stadt hinaus führt.«
    »Was ist mit Kara Bin Paali?«
    »Der General hat ihn in der Kerkerzelle neben Gebra anketten lassen. Er muss ihre Qualen mit ansehen.«
    »Was für ein Scheusal, euer General…!« Angewidert spuckte Aruula aus. »Mögen die Taratzen ihn bei lebendigem Leibe fressen …!« Sie überlegte. Warum reagierte sie so wütend auf die Schilderungen? Warum ließ das Schicksal des Paares sie nicht kalt? Es waren doch Räuber, die gnadenlos zuschlugen, wenn man ihnen nicht gab, was sie verlangten!
    Hatte sie es vor zehn oder elf Tagen nicht am eigenen Leib erfahren? Was also ging diese Frau sie an, die doch versucht hatte, sie zu töten?
    Andererseits – Gebra war eine Sklavin des SAK gewesen, so wie sie selbst eine Sklavin der Droge gewesen war.
    Aruula dachte an ihren Traum, sie dachte an Wudans Auge und an die Worte der Greisin: Und nun kehre um, gehe nach Kabuul und tue, was eine Gesegnete Wudans tun würde…
    An der blonden Frau vorbei blickte sie zum Höhleneingang hinaus. Es war dunkel, und es regnete. Ihr Kopf schmerzte entsetzlich. »Wie lange bist du schon bei mir?«
    »Die zweite Nacht.«
    Aruula versuchte auszurechnen, wie lange sie geschlafen hatte. Zwei Tage? Drei Tage? Sie gelangte zu keinem eindeutigen Ergebnis. »Ich fühle mich schwach«, sagte sie endlich. »Ich muss noch ein wenig

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