160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
ihres Kleides. Wenn Spencer wirklich so darauf bedacht war, allen Versuchungen zu widerstehen, waren die Papiere dort vor ihm sicher.
Abby stürmte geradewegs auf die Treppe zu, da sie hoffte, Spencer entwischen zu können, wenn sie in ihr Zimmer lief. Sie hatte allerdings erst die zweite Stufe erreicht, als er sie bereits wieder eingeholt hatte. Mit einem leisen Fluch packte er sie bei der Taille und zerrte Abby zu seinem Arbeitszimmer.
„Lass mich sofort los!“ protestierte Abby und stemmte die Fersen in den Boden. Seit dem verhängnisvollen Abend hatte sie Spencers Arbeitszimmer nicht mehr betreten. „Ich werde dir den Vertrag nicht geben, ganz gleich, was du zu tun gedenkst.“
Spencer blieb stehen. „Wenn du nicht willst, dass ich dir vor den Augen der Diener ins Kleid greife, solltest du lieber mit mir kommen“, warnte er sie leise.
Abby drehte sich um, und als sie sah, dass drei Hausdiener und Mr. McFee sie anstarrten, errötete sie. „Das würdest du nicht wagen.“
„Glaubst du nach meinem Auftritt bei Lady Brumley allen Ernstes, dass ich mich um angemessenes Verhalten vor meinen Dienstboten sorge?“
Abby schluckte. Als Spencer sie weiterzog, ging sie anstandslos mit. Aber sobald sie in seinem Arbeitszimmer waren und Spencer die Tür geschlossen hatte, befreite sie sich aus seinem Griff.
Wütend beobachtete Spencer, wie sie vor ihm zurückwich. Er wusste, dass er sich wie ein Idiot verhielt, aber er konnte nicht anders. Zum einen benebelte der Brandy seinen Verstand, zum anderen nagte die Angst an ihm, dass Abby die nächstbeste Gelegenheit nutzen würde, um nach Amerika zu flüchten.
Als er einen Schritt auf sie zu machte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und bückte ihn mit funkelnden Augen zornig an. „Versuch nicht, mir die Papiere gewaltsam zu entwenden.“
„Dann gib sie mir.“ Er streckte seine Hand aus und kam näher. „Ich will nur sichergehen, dass du das Geld nicht dazu nutzt, dich heimlich davonzumachen.“
Abby verschanzte sich hinter dem Schreibtisch. „Ich habe dir versprochen, dass ich das nicht tun würde.“
„Aber das war vorher“, sagte er und ging um den Schreibtisch herum, „als du noch annahmst, dass ich die Ehe nicht auflösen würde. Jetzt hast du keinen Grund mehr zu bleiben.“
Spencer war überrascht, wie ungehalten Abby reagierte. „Nein, außer meinem Versprechen habe ich wirklich keinen Grund. Aber du scheinst zu glauben, dass mein Wort gar nichts zählt …“
„Das wollte ich damit nicht andeuten“, unterbrach er sie ungehalten. „Wie kommst du auf diese unsinnigen Ideen? Ich meinte nur … nun, ich weiß, dass du mich verabscheust … nach allem, was ich dir in diesem Zimmer …“
„Nein, dafür verabscheue ich dich nicht.“ Abby betrachtete Spencer argwöhnisch. „Du hast mir einen Gefallen damit getan, mir die Vergeblichkeit meiner Hoffnungen aufzuzeigen.“
„So ein Unsinn!“ fuhr er sie an. Abbys Unaufrichtigkeit machte ihn wütend. Sie hatte ihn noch nie zuvor angelogen. „Du bist mir gegenüber höflich und unnahbar geworden … du benimmst dich, als würdest du dich über mich lustig machen …“
„Mich lustig machen!“ Abby wirkte zugleich überrascht und verärgert. „Ich versuche nur, deinen Vorstellungen zu entsprechen.“
„Ich wollte nicht, dass du dich so veränderst.“ Spencer musterte sie abschätzig. „Du bist ein kaltherziges Wesen mit einem falschen Lächeln geworden und tust hinter meinem Rücken Dinge, von denen ich nichts weiß.“
„Wie kannst du es wagen!“ Ihre Wangen färbten sich rot, und sie ballte die Hände zu Fäusten. „Ja, ich habe gehandelt, ohne vorher mit dir zu sprechen – aber du wolltest es doch so! Du wolltest, dass ich dir aus dem Weg gehe und dich nicht belästige.“
Da hatte sie Recht. „Ja, aber …“
„Und was mein Benehmen angeht, komme ich auch nur deinen Wünschen nach. Ich bemühe mich nur, die perfekte Viscountess abzugeben, von der du meinst, dass sie zu dir passt.“ Spencer bemerkte mit Schrecken, dass Abby Tränen in den Augen hatte, die sie ärgerlich wegwischte. „Aber auch das scheint dir nicht recht zu sein. Den großen Lord Ravenswood kann man einfach nicht zufrieden stellen!“
Zwei Dinge wurden ihm schlagartig bewusst: Abby glaubte tatsächlich, dass er eine perfekte Viscountess an seiner Seite haben wollte – und er schien ihr noch so viel zu bedeuten, dass sie alles daransetzte, ihm zu gefallen. „Ich habe mich nie über das beschwert, was
Weitere Kostenlose Bücher