160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
unverwandt an. „Die Frau war schon bis über beide Ohren in dich verliebt, bevor sie aus Amerika abgereist ist. Es verging kein Tag, an dem sie nicht von dir schwärmte. Sie wollte dich, und du wolltest sie – deshalb war ich mir so sicher, dass mein Plan funktionieren würde. Ich wusste, dass du sie nicht mehr gehen lassen würdest, wenn sie erst einmal hier wäre.“
Spencer schüttelte ungläubig den Kopf über die Unverfrorenheit seines Bruders. „Ich muss dich enttäuschen. Ich habe Abby zunächst nur deshalb nicht sofort zurückgeschickt, weil du verschwunden warst und ich einen Skandal vermeiden wollte. Dein ursprünglicher Plan wäre also nicht aufgegangen. Wäre sie deinen Berechnungen nach erst später eingetroffen und hättest du mir dann erzählt, dass du ihre Mitgift in eine Flaschenfabrik investiert hast, hätte ich die Fabrik sofort wieder verkauft, Abby ausgezahlt und deinen Unterhalt gekürzt, um den finanziellen Verlust zu kompensieren.“
Nat schaute ihn herausfordernd an. „Versuch doch nicht abzustreiten, dass ihr beide in Amerika Gefallen aneinander gefunden habt. Ihr brauchtet einfach nur mehr Zeit, um euch das eingestehen zu können.“
„Und dafür hast du ja gesorgt, indem du mich ohne mein Wissen verheiratet hast.“
„Du hättest sie sonst nie geheiratet – obwohl du nichts lieber wolltest.“ Nat schaute Spencer finster an. „Es war übrigens auch in meinem Interesse. Oder glaubst du ernsthaft, ich hätte mich von dir in die Rolle des Erben der Güter und des Titels der Ravenswood drängen lassen?“
Noch gestern hätte Spencer zu einer wütenden Entgegnung angesetzt und seinem Bruder aufgebracht vorgehalten, dass er immer nur seine eigenen Interessen im Auge hatte. Doch seit seiner nächtlichen Fahrt nach Bristol sah er selbst viele Dinge in einem neuen Licht. „Du hast die Gelegenheit also mit beiden Händen ergriffen“, stellte er schließlich fest.
Spencers ruhige Stimme machte Nat stutzig, und er beäugte seinen älteren Bruder misstrauisch. „Irgendjemand musste das ja für dich tun.“
„Und du schienst genau zu wissen, was gut für mich war.“
Nat wirkte mittlerweile besorgt. „Nun … so würde ich es nicht ausdrücken …“
„Warum nicht? So habe ich es zumindest immer formuliert, wenn ich dir deine Entscheidungen abgenommen habe.“ Spencer lehnte sich in seinen Sitz zurück und musterte Nat. „Ich bin fast stolz darauf, zu beobachten, wie du in meine Fußstapfen trittst. Aber da ich mehr Erfahrung darin habe, andere Menschen zu manipulieren als du, will ich dir einen Rat geben. Zunächst einmal solltest du nie versuchen, dich in das Leben von mehr als einer Person einzumischen. Es wird sonst zu kompliziert, und du läufst Gefahr, dass deine Pläne sich verselbstständigen.“
Nat seufzte und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Versuch bloß nicht, mir zu erzählen, dass mein Plan nicht doch noch aufgegangen ist. Evelina hat mich über Abby und dich auf dem Laufenden gehalten.“
„Ah, Evelina. Wir sollten endlich über deine Verlobte reden. Sie war gestern Abend bei mir, ganz aufgelöst und völlig verzweifelt. Sie möchte, dass du schnellstmöglich gefunden wirst …“
„Verzweifelt?“ fragte Nat und runzelte die Stirn. „Wieso? Ist etwas passiert?“
Spencer betrachtete seinen Bruder finster. „Hättest du dich vor zwei Monaten ihr gegenüber beherrschter gezeigt, müsstest du das jetzt nicht fragen.“
Nat schaute ihn ungläubig an. „Evelina? Sie … sie ist …“
„Sie erwartet ein Kind. Meinen Glückwunsch.“
„Mein Gott“, flüsterte Nat heiser. „Ich werde Vater.“
Spencer blickte ihn streng an. „Und Evelina wird unter den Sanktionen der Gesellschaft zu leiden haben, wenn du sie nicht auf der Stelle heiratest.“
Nats Freude schlug augenblicklich in Besorgnis um. „Wie geht es ihr?“
„Gut. Und wenn du wieder bei ihr bist, wird es ihr noch besser gehen. Aber sie wird ihren guten Ruf nur wahren können, wenn ihr beide durchbrennt und alle glauben lasst, ihr konntet es nicht mehr länger erwarten zu heiraten.“
„Nichts Heber als das“, murmelte Nat benommen.
„Und wenn sich Evelinas Niederkunft nähert, fahrt ihr nach Essex und bleibt so lange dort, bis niemand mehr merkt, dass das Kind ein paar Monate älter ist, als es sein sollte.“
„Du würdest mir … trotz allem … deinen Landsitz zur Verfügung stellen?“
„Du bist mein Bruder“, erwiderte Spencer gelassen.
„Ich weiß gar
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