160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
hatte sie nicht selber daran gedacht?
„Ah … Mr. McFee. Würden Sie uns bitte Tee servieren lassen?“
„Aber natürlich, Mylady“, erwiderte er.
Als Abby sich wieder ihren Gästen zuwandte, fiel ihr auf, dass Lady Brumley sie stirnrunzelnd musterte.
„Setzen Sie sich zu mir, meine Gute“, forderte die ältere Frau sie auf und klopfte neben sich auf das samtbespannte Polster. „Wir beide müssen unbedingt über das einer Viscountess angemessene Auftreten reden.“
Abby verließ aller Mut. Auf Lady Brumleys Kommentare zu ihren Missgeschicken auf dem Ball konnte sie gerne verzichten.
„Ich bin mir ganz sicher, dass sie das alles mit der Zeit lernen wird“, versuchte Clara zu vermitteln.
„Sie täte gut daran, es so bald wie möglich zu lernen, wenn sie einen Mann wie Lord Ravenswood halten will“, entgegnete Lady Brumley.
„Es ist wirklich nicht nötig, mich an meine Fehler zu erinnern, die ich gestern auf dem Ball gemacht habe.“ Abby ließ sich gegenüber von Lady Brumley in einen Sessel sinken. „Ich weiß, dass mein Tanzen furchtbar war und …“
„Ach was, wen interessiert schon, wie Sie tanzen? Ich spreche von wichtigeren Dingen – zum Beispiel davon, wie Sie mit Ihrem Personal umgehen.“
„Mit meinem Personal?“ Hatte sie womöglich den tadellosen Mr. McFee beleidigt?
„Eine Viscountess bittet ihren Butler nicht darum, dass er ihr den Tee bringt – sie befiehlt es ihm.“
Die bloße Vorstellung ließ Abby erschaudern. In Amerika hatten sogar die besten Familien nur wenige Bedienstete – und die ließen sich herrische Befehle nicht gefallen. In England hingegen schien sich das Hauspersonal fraglos seinem Schicksal zu fügen, was Abby sehr merkwürdig fand. „Aber das ist so … so …“
„Anmaßend?“ schlug Lady Brumley vor.
„Ja“, stimmte Abby leise zu.
„Das soll es auch sein“, antwortete Lady Brumley „Wie wollen Sie Ihrem Personal denn sonst zu verstehen geben, dass sie die Herrin im Haus sind? Wenn Sie das nicht von Anfang an klarstellen, werden sie Ihnen auf der Nase herumtanzen und mit den Dienstboten anderer Häuser darüber klatschen, wie gewöhnlich* ihre Herrschaft ist. Und ehe Sie sich versehen, wird die ganze Stadt über Sie reden.“
„Nach den Ereignissen des gestrigen Abends redet ohnehin schon die ganze Stadt darüber, wie gewöhnlich ich bin“, erwiderte Abby trocken.
„Bislang wird zwar darüber geredet, wie wenig graziös Sie sind, wie schrecklich Sie sich kleiden oder einfach nur wie amerikanisch Sie sind, aber noch ist niemand so weit gegangen, Sie als gewöhnlich zu bezeichnen. Und so weit sollten Sie es auch nicht kommen lassen.“
Als Abby erblasste, kam Clara ihr zu Hilfe. „Also wirklich, Lady Brumley, ich glaube nicht, dass es hilfreich ist …“
„Aber natürlich. Dieses Mädchen war intelligent genug, sich Lord Ravenswood zu angeln. Ganz gleich, wie sie das geschafft hat – darauf kann sie stolz sein. Aber jetzt wird sie alles lernen müssen, was sich für eine Frau in ihrer Position gehört.“ Sie bedachte Clara mit einem bedeutsamen Blick. „Und Sie werden es ihr beibringen. Auch Ihr Vater ist erst spät zu seinem Titel gekommen, und daher wissen Sie, wie schwer es ist, alle Finessen in kurzer Zeit zu erwerben. Nehmen Sie sich Lady Ravenswoods an. Ich habe keinerlei Zweifel, dass sie in kürzester Zeit auf dem sozialen Parkett glänzen wird.“
„Ihren kritischen Bemerkungen nach zu urteilen, nahm ich eigentlich an, dass Sie diese Aufgabe selbst übernehmen wollten“, sagte Clara frostig.
„Du lieber Himmel, bloß nicht! Ich bin wegen einer ganz anderen Angelegenheit gekommen.“ Lady Brumley öffnete ihren Handbeutel, holte die kleine Flasche mit dem Met hervor und schwenkte sie in Abbys Richtung. „Ihre Mischung ist großartig. Sie sitzen auf einer Goldmine, meine Gute.“
Abby strahlte. „Hat es nun doch bei Ihren Verdauungsstörungen geholfen?“
„Verdauungsstörungen? Nein, ich rede hier von einem Parfüm.“ Lady Brumley wedelte das Fläschchen hin und her. „Das ist der herrlichste Duft, der mir seit Jahren unter die Nase gekommen ist. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie schwer es heutzutage ist, überhaupt noch ein gutes Parfüm zu finden? Eines, das leicht ist, aber doch nicht zu flüchtig?“ Sie gab Clara die Phiole. „Haben Sie jemals etwas Köstlicheres gerochen?“
„Der Met duftet zwar gut, aber trotzdem ist es als Heilmittel …“, setzte Abby an.
„Es ist doch völlig
Weitere Kostenlose Bücher