1601 - Die wilde Schlacht
und hatte darüber nur den Kopf geschüttelt. Jetzt konnte er sie verstehen, denn so etwas Ähnliches drang hier auf ihn ein.
Dann standen sie vor ihm.
Sie waren ihm so nahe, dass er ihre Augen sah. Waren das überhaupt normale Augen? Pupillen jedenfalls sah er nicht. Die Augen waren flach, mit ihnen hätten die Gestalten normalerweise nicht sehen können, aber sie sahen trotzdem.
Und aus ihnen strömte ihm etwas entgegen, das seine Angst noch steigerte. Es fehlte ihnen das Gefühl für Vergebung und Gnade.
Er wollte noch etwas sagen, sie um etwas bitten, aber sie ließen es nicht zu.
Ohne ein Wort gesagt zu haben, beugte jeder von ihnen einen Arm.
Ausgestreckt glitten sie auf seinen Kopf zu.
Der Pfarrer war nicht mehr in der Lage, ihn zur Seite zu drehen. Zwei Hände fassten ihn plötzlich an. In Höhe der Ohren blieben sie liegen.
Die fremden Hände berührten die Haut. Sie fühlten sich völlig anders an.
Es gab keine Wärme, auch keine Kälte. Da war einfach nichts, nur die Berührung dieser fremden Hände.
Er verspürte das Zucken.
Dann griffen sie zu!
Er stöhnte auf. Er zuckte unter dem Schmerz zusammen, den die Griffe verursacht hatten.
Was dann geschah, bekam er zu seinem Glück nicht mehr voll mit.
Der Geistliche erlebte noch den Beginn einer unbeschreiblichen Schmerzwelle, dann nichts mehr. Und in derselben Sekunde brach auch sein Blick.
Tot sackte er auf seinem Stuhl zusammen, wobei der Kopf seltsam verrenkt war, als wäre ihm das Gesicht auf den Rücken gedreht worden…
***
So schön weihnachtlich kitschig der kleine Ort auch aussah, ich wurde das Gefühl nicht los, dass hier einiges im Argen lag. Es konnte auch sein, dass ich mir zu viele Gedanken machte, aber hier fehlte das Leben.
Ich konnte mich über den Anblick der Tannenbäume nicht mehr freuen.
Es war das gleiche Bild geblieben und trotzdem anders.
Mit Anna sprach ich nicht darüber, doch als ich sie anschaute, ohne dass sie es bemerkte, da stellte ich fest, dass auch sie sehr nachdenklich geworden war. Sie schritt neben mir her, den Kopf hielt sie gesenkt, die Hände in den Taschen ihres Wollmantels vergraben, den Blick nach unten gerichtet, als wollte sie den Schnee betrachten, den ihre und meine Füße beim Gehen in die Höhe schaufelten.
»Probleme?«, fragte ich sie.
»Dieselben wie du. Keiner von uns weiß, wie es weitergeht. Oder bist du inzwischen schlauer geworden?«
»Leider nein.«
»Aber du glaubst, John, dass das richtig ist, was wir jetzt tun. Oder nicht?«
Ich hob die Schultern. »Haben wir Alternativen?«
»Keine Ahnung.«
»Wir müssen davon ausgehen, dass uns ein Angriff bevorsteht. Und das ist alles andere als ein Spaß. Es sind auch keine normalen Menschen, es sind oder es ist eine fremde Macht, die trotzdem bekannt ist, wenn man dem Alten Testament glauben kann.«
»Die Hölle…?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Und das sagst du so locker?«
Ich hob die Schultern. »So ist es ja nicht. Locker und locker ist ein Unterschied. Ich habe nur meine Erfahrungen sammeln können.«
»Auch im Kampf gegen die Hölle?«
»Ja!«
Die schlichte Antwort musste reichen. Anna fragte auch nicht mehr nach.
Zudem hatten wir es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel. Es hielt sich niemand in der Nähe des Bauwerks auf. Nur ein Stück weiter, wo das Gelände leicht anstieg, waren zwei Kinder zu sehen, die einen Holzschlitten zogen. Die Menschen hielten sich zurück. Das war mir nicht neu. Ich kannte es aus anderen kleinen Orten, in denen das Grauen Einzug gehalten hatte.
Als wir direkt über den verschneiten Weg auf die Kirche zugingen, stieß mich Anna Eichler an.
»Was ist?«
»Eigentlich nichts«, flüsterte sie. »Ich fürchte mich trotzdem und kann dir nicht mal den Grund nennen.« Sie deutete nach vorn. »Es ist wohl ein Gefühl, auf das man hören sollte.«
»Eine innere Warnung«, präzisierte ich.
»Ja.« Anna blieb stehen. »Kennst du das auch?«
»Und ob.«
»Dann bin ich zufrieden. Ich hatte schon den Eindruck, mir selbst etwas vorzumachen.«
»Man sollte auf diese Warnungen hören, Anna. Ich kenne das und richte mich danach.«
»Danke.«
Bisher waren wir nebeneinander gegangen. Jetzt blieb sie ein wenig zurück und ließ mich allein auf die Tür zugehen, bei der alles normal war.
Ich zögerte nicht lange, zog sie auf und warf einen ersten Blick in das Innere der Kirche, die man aufgrund ihrer Größe auch als große Kapelle bezeichnen konnte.
Ich hatte ja damit gerechnet, dass sich eine helle
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