1601 - Die wilde Schlacht
Wintersonne am Himmel zeigen würde. Das war leider nicht eingetreten. Die frühmorgendliche Bläue war verschwunden. Sie hatte einem grauen und leicht schmutzig wirkenden Himmel Platz gemacht, und man konnte beim besten Willen nicht mehr von einer strahlenden Helligkeit sprechen.
So war es in der Kirche recht düster, aber nicht dunkel. Und ich sah, was sich im Innern tat oder getan hatte.
Es gab die Sitzbänke links und rechts vom Mittelgang. Mir fielen auch die kahlen Wände auf, was für Kirchen in dieser Umgebung völlig unüblich war.
Beim zweiten Blick sah ich den Grund. Jemand hatte die Bilder und auch die Figuren entfernt und sie auf den Boden geworfen. Den Altar sah ich nicht. Die Kanzel versperrte mir den Blick.
Jetzt stand für mich fest, dass Annas Gefühl so etwas wie ein Blick in die Zukunft gewesen war. Hier hatte sich jemand aufgehalten, der einer Kirche nicht eben positiv gegenüber stand. Er hatte zerstört, er wollte Zeichen setzen, und es war bestimmt nicht der Pfarrer gewesen.
Ein Adrenalinstoß hatte mich erwischt, als ich einen Schritt zur Seite trat.
Ich wollte einen Blick auf den Altar werfen, was mir jetzt gelang. Es gab ihn. Aber es gab ihn nicht mehr so, wie ich ihn erwartet hatte. Er war geschändet worden. Ein Kreuz sah ich noch. Nur lag es auf dem Boden, ebenso der Tabernakel, der golden schimmerte.
Satan hatte seine Vorhut geschickt.
Dieser Gedanke war für mich nicht übertrieben, denn ich dachte wieder an das böse Monster, das sich über dem Ort gezeigt hatte. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Das war der Augenblick, an dem ich wie auf dem Sprung stand.
Hinter mir hörte ich ein Schlurfen. Ebenso wie das Geräusch der sich öffnenden Tür.
Anna Eichler schob sich an mich heran.
»Was ist los?«, fragte sie. »Du stehst hier und schaust. Suchst du den Pfarrer?«
»Eher nicht. Ich weiß auch nicht, ob er noch hier ist. Es ist etwas anderes geschehen…«
»Mein Gott, die Bilder!«
Ich brauchte meinen Satz nicht mehr zu vollenden. Anna hatte es selbst gesehen. Sie war geschockt und legte beide Hände vor den offenen Mund. Dabei schüttelte sie den Kopf.
»Wer hat das getan?«, hauchte sie nach einer Weile.
»Ich weiß es nicht. Aber es wäre am besten, wenn du dich zurückhältst, Anna.«
»Warum?«
»Ich glaube, dass es gefährlich werden kann. Wahrscheinlich sind der oder die Zerstörer noch hier.«
»Ich sehe keinen.«
»Das hat nichts zu sagen. Auch der Altar ist geschändet worden.«
»Aber warum?«
»Jemand will alles beseitigen, was an die Feinde der Hölle erinnert.«
»Und was ist mit dem Pfarrer?«
»Da haben wir ein Problem. Ich weiß nicht, ob er sich in der Kirche aufgehalten hat. Ich hoffe es nicht. Wer immer unsere Feinde sind, sie kennen keine Gnade.«
»Das hört sich nicht gut an.«
»Ist es auch nicht. Deshalb möchte ich, dass du die Kirche verlässt. Ich werde mich hier allein umschauen.«
»Nein, John, ich bleibe. Ich werde nicht gehen.«
Ich hatte den Klang in ihrer Stimme gehört. Sie würde nicht zurückbleiben.
»Ich bin schon vorsichtig, John.«
»Das musst du auch.«
Wir hatten uns flüsternd unterhalten, um so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Ich war stets auf der Hut gewesen und hatte nach Verdächtigem Ausschau gehalten.
Nichts war zu sehen, und so ging ich langsam auf den Altar zu. Ich hatte mir den schmalen Mittelgang vorgenommen. Rechts und links befanden sich die alten, geschnitzten und gut erhaltenen Holzbänke. An ihnen hatte sich niemand zu schaffen gemacht.
Wenn ich nach links schaute, sah ich die dicke helle Säule. Sie war mit einer Holzkanzel verbunden, zu der eine Treppe mit einem nach links gedrehten Winkel hoch führte.
Ich versuchte, alles so gut wie möglich im Auge zu behalten - und zuckte zusammen, als ich das Alarmsignal spürte, das von meinem Kreuz ausging.
Es hing vor meiner Brust, versteckte sich unter dem Pullover, und ich dachte daran, dass es sich nie gemeldet hätte, wäre nicht etwas in seiner Umgebung vorhanden, dem es negativ gegenüber stand.
Aber wo?
Zwei Sekunden später erhielt ich die Antwort. Sie wurde mir von der Kanzel aus gegeben. Bisher hatte sich die Gestalt hinter der recht dicken Wand versteckt gehalten.
Jetzt richtete sie sich auf, und meine Augen weiteten sich…
***
Auch Anna hatte die Gestalt gesehen. Sie gab hinter mir einen überraschten Laut von sich, doch ich kümmerte mich nicht um sie. Ich konzentrierte mich auf dieses neutrale Wesen.
Schon
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