1601 - Die wilde Schlacht
Gefahr gerieten.
Das Kreuz lag noch immer vor mir auf dem Tisch. Sein Anblick sorgte dafür, dass ich anfing, nachzudenken. Wie oft hatte ich mich darauf verlassen können und auch müssen? Hinzu kam, dass ich der Sohn des Lichts war, und das Kreuz musste ich als meinen Beschützer ansehen.
Nicht grundlos war es mir überlassen worden. Bisher war es immer ein verlässlicher Schutz gewesen. Würde das auch so bleiben?
Ich wusste es nicht. Ich konnte es nur hoffen.
Wahrscheinlich stand mir an diesem Tag etwas bevor, was ich bisher noch nie erlebt hatte und alles bisher Dagewesene übertraf.
Zwischen dem Kreuz und mir bestand eine besondere Beziehung. Wir gehörten einfach zusammen. Das war mit einem alten Ehepaar zu vergleichen. Bisher hatte ich es gehütet wie meinen eigenen Augapfel.
Und in der Stille um mich herum lächelte ich es an.
Ich konzentrierte mich auf die vier Buchstaben an den abgerundeten Enden des Kreuzes.
Ganz oben das M für Michael. Er war der Sieger über die Drachenschlange gewesen.
Links das G für Gabriel.
Rechts das R für Raphael.
Und unten das U für Uriel. Ihn hatte ich als einen Feuerengel erlebt. Die anderen Symbole waren in diesem Moment nicht so interessant für mich.
Wenn es eine Hilfe gab, dann nur durch diese Zeichen. Durch die Erzengel eben, die sich schon in Urzeiten gegen den Sturm der Hölle gestellt hatten.
Ich streckte meine Hand aus und ließ sie auf dem Kreuz liegen. Das Silber fühlte sich nicht kalt an. Es enthielt eine gewisse Wärme, die sich auf meinem Handteller verteilte und mir zunächst ein Gefühl der Beruhigung gab.
Ja, es tat gut, sich mit dem Kreuz zu beschäftigen. Auf meinem Handrücken entstand ein Kribbeln. Ich sah es als Zeichen der Beruhigung durch das Kreuz an.
Wir beide waren im Laufe der Zeit die besten Freunde geworden. Wir waren zusammengewachsen. Das Kreuz und ich hatten schon sehr oft Feuerproben bestanden, aber diejenige, die vor uns lag, die würde wohl die härteste sein.
Ich wollte die Hand wieder zurückziehen, als mir etwas auffiel. Das Metall war wärmer geworden. Zuerst dachte ich an eine Täuschung, dann jedoch sah ich etwas, was wohl nur indirekt mit dem Ansteigen der Temperatur zu tun hatte.
Drei Enden lagen frei.
Dort tat sich etwas.
Ich zog die Hand ganz zurück, um auch das Ende meines Talismans beobachten zu können.
Ja, auch das U hatte sich verändert.
Nur anders als die übrigen drei Buchstaben. Von ihnen strahlte ein schwacher silbriger Glanz ab, während das U einen leicht feurigen Schein abgab.
Ich hielt den Atem an. Diese Reaktion hatte ich noch nie zuvor erlebt. Sie war mir völlig neu, und ich fragte mich, ob mich das Kreuz durch seine schon jetzt stattfindende Reaktion auf die Zukunft vorbereiten wollte.
Ich war gespannt und unternahm erst mal nichts. Ich versuchte, völlig ruhig zu bleiben und mich nur auf das veränderte Kreuz zu konzentrieren.
Es stand mittlerweile für mich fest, dass es mir eine Botschaft senden wollte. Dabei ging ich davon aus, dass es eine positive sein musste.
Ein Kreuz konnte nicht reden. Es kann nur Zeichen geben, die ich richtig deuten musste. In diesen Momenten sah ich sie schon als positiv an.
Das Leuchten der Buchstaben sollte mir Mut für die große Auseinandersetzung machen.
Mein Schutz wollte es nicht zulassen, dass ich in tiefe Depressionen verfiel. Ganz gewiss war seine Reaktion ein Mutmachen, und so dauerte es nicht lange, bis sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen.
Ich saß zwar allein hier im Zimmer. Aber ich fühlte mich nicht mehr allein. Es gab die Beschützer, die unsichtbar in meiner Nähe weilten.
Mut fassen und nicht aufgeben!
Genau das wollte ich tun. Ich nahm das Kreuz wieder an mich und steckte es in die Tasche. Ja, ich fühlte mich besser und gut gerüstet für die vor mir liegende Auseinandersetzung.
Mein Blick glitt zum Fenster. Es war zwar wieder einige Zeit vergangen, aber der Himmel hatte seine Farbe nicht verändert. Die Dämmerung würde noch auf sich warten lassen.
Es klopfte an die Tür. »Bitte!«, rief ich.
Anna Eichler betrat das Zimmer. Sie wollte lächeln, es wirkte schon leicht gequält.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Sie nickte. »Und bei dir?«
»Ja, auch.«
Sie ging bis zum Bett und ließ sich dort nieder, dabei drehte sie den Kopf, um mich ansehen zu können. Auf ihrer glatten Stirn erschienen einige Falten.
»Nimm es mir nicht übel, John, aber ich sehe dir an, dass du nachdenklich geworden bist.«
»Da hast du
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