1606 - Die Zeit-Bande
war, stand vor uns und brachte keinen Ton hervor. Er war einfach zu überrascht, um etwas sagen zu können.
Bekleidet war er mit einem schmutzigen Hemd. Es war nur teilweise zu sehen, denn der größte Teil seines Körpers wurde von einer langen Lederschürze bedeckt.
In seinem Gesicht zeigte sich kein einziges Haar. Selbst das Kinn war einfach nur glatt.
Besonders Suko starrte er an. Mich sah er kaum, erst meine Stimme riss ihn aus seiner Betrachtung.
»Hi«, sagte ich und musste damit gegen den Wirrwarr aus Stimmen ansprechen. »Ich hoffe, wir sind hier richtig.«
Jetzt wurde ich angeschaut. »Woher kommt ihr?«
»Aus der City.«
»Wie?«
Ich winkte ab. »Wir suchen jemanden.«
Die dicken Lippen zuckten. »Ihr seid fremd hier. Habt euch verlaufen. Das ist keine Gegend für euch. Haut einfach wieder ab. Das ist für eure Gesundheit besser.«
»Ach. Und warum?«
»Wir brauchen keine Fremden. Wir wollen hier unter uns bleiben. Also geht.«
Der Empfang war alles andere als freundlich, aber damit hatte ich auch gerechnet. Nur kannte uns der Typ nicht, vor allen Dingen nicht unsere Sturheit, und der dicke Mensch schaute noch böser, als ich den Kopf schüttelte.
»Was soll das?«
»Wir bleiben noch etwas.«
Mit einer derartigen Antwort hatte der Mann nicht gerechnet. Er zuckte zusammen, seine Wangen fingen an zu zittern, und ein scharfer Laut verließ seinen Mund.
»Habt ihr keine Ohren?«
»Doch, die haben wir.« Ich sprach weiterhin, während Suko die Umgebung im Auge behielt, was mich einigermaßen beruhigte. Denn wohl konnten wir uns inmitten dieser Gäste nicht fühlen. Wir waren Fremdkörper und würden es auch bleiben. Suko wies mich zudem flüsternd darauf hin, dass wir aufpassen mussten.
Ich nickte nur. Dann antwortete ich dem Wirt. »Wir wollen keinen Ärger haben. Wir sind auch bald wieder verschwunden, aber wir haben ein Problem.«
»Das Problem seid ihr. Wo kommt ihr her? Wie seht ihr überhaupt aus?«
Ich winkte ab. »Das sollte keine Rolle spielen. Es gibt andere Dinge, die wichtiger sind.«
»Und welche?«
Ich beugte mich zu dem Mann hinüber. Mein Blick nahm dabei einen verschwörerischen Ausdruck an. »Wir sind auf der Suche nach einem Mann.«
Für einen Moment nahm ich seinen säuerlichen Schweißgeruch wahr, dann zuckte der Wirt zurück. »Und? Ist er hier?«
»Nein, wir haben ihn hier im Pub nicht gesehen. Das ist es ja. Aber wir wissen, dass es ihn gibt. Wir müssen ihn finden.« Ich hatte den Namen noch nicht erwähnt, rechnete mit der Neugierde des Mannes und hatte mich nicht getäuscht.
»Hat er denn auch einen Namen?«
»Klar…« Ich machte es spannend.
»Und? Wie heißt er?«
»Er ist ein Lord.« Ich räusperte mich leise, dann sprach ich weiter. »Lord Arthur Lipton…«
Jetzt war es heraus, und ich wartete auf die Reaktion des Mannes.
Der zuckte zurück. Ob er bleich wurde, war in diesem Licht nicht zu erkennen. Jedenfalls stöhnte er leise auf und sein Mund bewegte sich, ohne dass er etwas sagte. Dass ihm meine Antwort nicht gefallen hatte, lag auf der Hand, aber über das Zittern wunderte ich mich schon.
»Was ist los?«
»Haut ab! Sofort!«
Ich lächelte etwas dümmlich. »Bitte, was haben Sie? Ich habe nur eine Frage gestellt…«
»Man fragt nicht nach ihm. Es sei denn, man ist lebensmüde. Eine Warnung. Seht zu, dass ihr ihm nicht begegnet. Ich weiß, dass ihr fremd seid, aber das Unwissen schützt nicht davor, getötet zu werden. Und das wird man, wenn man ihm zu nahe kommt. Er ist gefährlich. Wir kennen ihn.«
Ich blieb standhaft. »Aber wir müssen mit ihm sprechen. Es ist wichtig.«
»Das ist mir egal. Haltet euch an meinen Ratschlag. Raus hier, so schnell wie möglich.« Sein Gesicht verzerrte sich. »Ich will euch nicht länger in meinem Pub haben.«
»Und warum nicht?«
»Das spielt keine Rolle. Geht!«
Dicht hinter meinem Rücken hörte ich Sukos Stimme. »Ich denke, das sollten wir tun.«
»Warum?«
»Man mag uns offenbar nicht.«
Ich drehte mich langsam um und sah, was Suko gemeint hatte.
Es musste nicht unbedingt typisch für diese Umgebung sein, aber als Fremde in einer anderen Zeit und sich dann noch an einem Platz aufhaltend, wo man nicht gern gesehen ist, das konnte sehr schnell Ärger geben. Wer in eine geschlossene Gemeinschaft eindringt und anders ist als deren Mitglieder, der ist suspekt, und man sieht ihn möglicherweise als Feind an.
Genau das war hier der Fall. Sie mussten uns als Feinde ansehen. Wir wurden jedenfalls
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