1607 - Im Leerraum gestrandet
Gemurmel, das ungeduldige Scharren der Füße, die unterschwellige Aggressivität. Genau so sah die Atmosphäre aus, die er brauchte. Lychtenbach legte ein elegantes Cape um seinen schmalen, hoch aufgeschossenen Körper, strich mit beiden Zeigefingern durch den Schnurrbart und sprühte etwas optischen Aufheller in die Augen. Der schwarze Zylinder machte das Bild komplett. „Du bist dran!" zischte einer der Helfer.
Und Lychtenbach trat durch den Vorhang. Applaus brandete auf. Übergangslos begann er mit dem ersten Trick. Seine Assistentin, ein brünettes Busenwunder namens Wanda, reichte ihm der Reihe nach die Bestandteile eines Käfigs, die er in einem Ärmel verschwinden ließ.
Auf einer Säule, die vorher leer gewesen war, erschien wie hingezaubert der fertige Käfig mit einem lebendigen Klonhasen darin. Für die Zuschauer war es Zauberei. Für ihn dagegen nur der billige Trick, mit dem er sein Programm einzuleiten pflegte.
Der Große Lychtenbach versetzte seine Zuschauer in Verzückung. In der ersten Reihe die leuchtenden Kinderaugen... Dabei hätte er gerade mit den Kindern nicht gerechnet, weil sie aus den Videoprogrammen tausendmal spektakulärere Szenen gewohnt waren. Doch die Atmosphäre versetzte sie in Verzückung. Sie und die vielen Erwachsenen spendeten mehr Applaus, als er in zehn Jahren vorher auf einmal erhalten hatte.
Wortlos trat er von der Bühne ab, vom Scheitel bis zur Sohle ein geheimnisvoller Künstler.
In seiner Garderobe wartete eine Frau auf ihn. Auch daran hatte er sich gewöhnt. Sie war klein und dunkelhaarig, die Augen blitzten voller Energie. „Ich komme gleich zurück", sagte er. „Nur noch eine Zugabe. Bitte warte hier auf mich."
„Das werde ich tun."
Lychtenbach entledigte sich seiner Pflicht von da an nur noch mit halber Konzentration. So war es auch zu erklären, daß einer der leichtesten Tricks sogar danebenging.
Als die Vorstellung endgültig beendet war, saß die Fremde immer noch da. „Mein Name ist Lopa Martinguez", sagte sie. „Ich bin Hanse-Agentin. Mein Auftrag lautet, dich für eine geheime Mission ins HQ-Hanse zu holen. Bull will dich sehen."
„Mich? Welcher Bull?" stotterte er wenig geistreich. „Der Reginald Bull. Du hast ganz richtig gehört. Also, kommst du mit? Sofort!"
Gleichzeitig zückte sie einen Ausweis, dessen Emblem Lychtenbach bekannt vorkam. Die Vorfreude, die er bei ihrem Anblick empfunden hatte, wich nüchterner Überlegung. Er konnte hier nicht weg. Dies war die Zeit seines Lebens, seit Menschengedenken für einen Zauberer der erste Erfolg. „Ich habe nicht im entferntesten die Absicht", antwortete er. „Das kannst du Reginald Bull bestellen, Lopa."
„Natürlich könnte ich auch veranlassen, daß deine Zaubertricks einmal gründlich überprüft werden. Ist wirklich nichts Fünfdimensionales dabei? Die Leute behaupten das nämlich."
Er wurde bleich. „Natürlich nicht, das weißt du."
„Ja. Aber eine solche Untersuchung könnte Wochen dauern. Und das weißt du!"
Der Große Lychtenbach ließ die Schultern hängen, packte mit verbissenem Gesicht sein Cape ein und legte den Zylinder dazu. In normaler Straßenkleidung machte er sich mit Lopa Martinguez auf den Weg zum HQ-Hanse
3.
Die ODIN erwachte zum Leben. Aus allen Sektionen trafen nun Meldungen ein, so rasch wie möglich wurden überall erste Maßnahmen getroffen. Dabei taten sich besonders Norman Glass und Mariaan ten Segura als Organisationsgenies hervor.
Die Cheftechnikerin und ihr Team taten in der Folge alles, der Zentrale so rasch wie möglich Kommandoleitungen zu den Triebwerken zu öffnen. Innerhalb weniger Minuten wurden Schaltungen verändert, stehende Leitungen geschaffen.
Norman Glass kümmerte sich um das Wohlergehen seiner Besatzung. Er nahm über die interne Kom-Leitung Kontakt mit Kunar Seljuk auf, dem ertrusischen Chefmediker. Es hatte sieben Tote gegeben. Dazu kam eine größere Anzahl von Verletzten, wovon jedoch keiner in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte. „Der Ausfall der Syntrons trifft uns furchtbar!" grollte der Riese von Ertrus über die Leitung. „Wir können so nicht operieren! Seht zu, Norman, daß ihr die Computer wieder hinkriegt!"
„Wir versuchen es, Kunar."
Rhodan hatte die Unterhaltung nur mit einem Ohr verfolgt. Der Rest seiner Aufmerksamkeit gehörte Samna Pilkok, die unermüdlich Zustandsberichte über die technischen Innereien des Schiffes bekanntgab.
Keine Hyperenergie, keine Syntrons - daraus resultierte ein fast totaler
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