161 - Vollmond über London
sogar bei weitem«, antwortete der Ex-Dämon. »Das ist das mieseste Bumslokal, in das ich jemals meinen Fuß gesetzt habe.«
»Ist ja großartig, wie Sie Ihr Maul vollnehmen.« Burstyn bleckte die Zähne und ballte die Hände. »Ich weiß genau, was Sie Vorhaben. Sie sind mit O’Hara gekommen. Ihr Freund hat sich in Rita Owen verknallt, und es gefällt ihm nicht, daß Kuby sie ins ›Pussy Cat‹ geholt hat.«
»Ist doch verständlich, wenn man sich hier so umsieht«, sagte Mr. Silver.
»Niemand hat Rita gezwungen, hier einzusteigen«, stellte Burstyn klar. »Es war ihre eigene Entscheidung, sie folgte dem Lockruf des Geldes, wie alle Mädchen, die hier arbeiten.«
»Und mit welcher Freude«, bemerkte Mr. Silver sarkastisch. »Jede sieht aus, als hätte sie einen Trauerfall in der Familie.«
»Machen Sie sich um diese Mädchen keine Sorgen, Mann, denen geht es gut. Aber Ihnen wird es gleich schlechtgehen, wenn Sie nicht verschwinden.«
»Ich muß das doch hoffentlich nicht als Drohung auffassen«, entgegnete Mr. Silver trocken.
»Das können Sie halten wie ein Dachdecker. Hauptsache, Sie schwirren ab. Und vergessen Sie nicht, Ihren Freund mitzunehmen.«
»Wo ist Ivan Kuby?« wollte Mr. Silver wissen.
»Unterwegs.«
»Und wann erwarten Sie ihn zurück?«
Burstyn hob die Schulter. »Wenn er kommt, ist er da. Falls Sie mit ihm über Rita reden wollen, können Sie es sich aus dem Kopf schlagen. Kuby hat Rita ein Angebot gemacht, und sie hat es akzeptiert. Es ist ein Geschäft, das beide Teile zufriedenstellt, also warum wollen Sie sich hineindrängen?«
»Wieso tanzt Rita nicht für die Gäste?« wollte Mr. Silver wissen.
»Sie fängt morgen erst an.«
»Und wo ist sie heute?«
»Nicht hier, wie Sie sehen.«
***
Ellen Murphy hatte ein bißchen zuviel des Guten getan; es entsprang einer gewissen Unsicherheit. Sie hatte sich nicht nur von Candice Lee die Ohrclips geliehen, sondern sich auf die gleiche Weise mehrere Halsketten, Armreifen und Ringe zugelegt. Nun glänzte und glitzerte das rothaarige Mädchen wie ein Weihnachtsbaum, und ihre Rouge-Wangen strahlten so rot wie die Stopplichter eines Autos.
Es lag ihr sehr viel daran, den Mann, mit dem sie sich verabredet hatte, ganz für sich zu gewinnen. Im Gegensatz zu Candice und Rita trat sie nicht in Olsons Bar auf, weil ihr das Tanzen ungeheuren Spaß machte, sondern sie präsentierte sich auf der Bühne, um sich einen Mann zu angeln.
Keinen, wie sie im »Pussy Cat« herumlungerten, sondern einen, der sie achtete und der ehrliche Absichten hatte.
Ellen kam aus ärmlichen Verhältnissen. Sie war Realistin, wollte nicht hoch hinaus, aber doch ein kleines Stück höher. Damit wäre sie schon zufrieden gewesen.
Mit einigen Verehrern hatte es nicht geklappt, doch nun glaubte sie, den richtigen gefunden zu haben. Er besaß eine kleine Firma, handelte mit Brennstoffen, war Witwer und hatte die Absicht, sich wieder zu verheiraten.
Ellen Murphy verließ Olsons Bar rechtzeitig, um zum Rendezvous nicht zu spät zu kommen. Pünktlichkeit ist die netteste Art, jemandem zu zeigen, daß man ihn mag, hatte einmal jemand gesagt.
Ellen bedauerte, sich Candices neue Nummer nicht ansehen zu können, aber Candice würde damit ja noch öfter auftreten. Das Rendezvous war wichtiger.
Ellen sah das Augenpaar nicht, das in der Dunkelheit glühte, aber sie spürte etwas. Unangenehm berührt blieb sie stehen und sah sich um. Da sie niemanden entdeckte, setzte sie ihren Weg fort, und ein dunkelgrauer Schatten huschte hinter ihr her.
Herbert, so hieß der Mann, mit dem sie sich treffen wollte, war nicht mehr der jüngste. Er hätte ihr Vater sein können, war doppelt so alt wie sie, also 40, doch das störte sie nicht.
Ihr Wagen stand auf einer kleinen Parkfläche, deren Zufahrt mit einer Schranke gesichert war, damit sich nicht jeder hier »niederlassen« konnte. Es war Wallace Olsons Parkplatz, auf dem ihr Auto stand. Olsons Fahrzeug befand sich zur Inspektion in der Werkstatt.
Das Monster kam immer näher, ohne daß es Ellen auffiel. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders: bei Herbert. Geduckt lief das hungrige Ungeheuer an den geparkten Fahrzeugen vorbei, während Ellen Murphy vor ihrem Wagen stehenblieb und in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln suchte.
Je größer die Handtasche, desto mehr unnützes Zeug nimmt man mit, dachte sie. Sie kramte das Unterste zuoberst, während das Untier langsam auf sie zuschlich, ohne auch nur das geringste Geräusch zu
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