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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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langen Ausfallschritt und stieß nach seinem Herzen …
    Er war nicht da.
    Er bewegte sich mit mir zur Seite und das noch nicht einmal besonders elegant. Instinktiv parierte ich seinen Gegenangriff. Gleichzeitig mit meinem Versagen kam der Gedanke: Da war meine Chance, und jetzt ist sie weg. Ich habe sie verpasst. Und übergangslos wechselte ich von der Parade zu einem Zweihandhieb, um ihm den Schädel zu spalten.
    Während ich mit ihm kämpfte, ließ ich seine Männer nicht aus den Augen: Wer würde blankziehen? Wer eine Pistole auf mich richten? Wohin sollte ich ausweichen, und wen sollte ich angreifen?
    Kein Mann rührte sich und auch keine Frau.
    Robert Fludds Klinge lenkte meine knapp an seinem Ohr vorbei.
    Das war eine glückliche Parade, sinnierte ich grimmig. Jeder Mann hat das Recht, dass die Götter wenigstens einmal auf seiner Seite sind.
    Mein Blick traf sich mit dem von Hariot am Rand des Gartens. Er sah aus wie jemand, der schon weit herumgekommen war, und er hatte die Pistole gespannt, doch er schien damit zufrieden zu sein zu warten.
    Ich könnte durchaus ein gewisses Risiko eingehen: Messire Hariots Können mit einer Pistole gegen meine Kletterfähigkeit. Oder ich könnte Fludd entwaffnen und ihn als Geisel benutzen, anstatt ihn zu töten … Nein. Dann würden sie mich töten. Er mochte ja nicht ganz bei Verstand sein, aber seine Männer waren ihm treu.
    Es beschämt mich, wenn ich in eine Situation gedrängt werde, in der ich einen Unfähigen töten muss.
    Ich zügelte mein Temperament, hob die Klinge wieder, parierte seinen Hieb und setzte an, ihn zu entwaffnen …
    Fludd zog die Klinge zu sich zurück, weg von mir, und hätte sich dabei fast den Knauf in den Magen gerammt. Aber so entging er auch dem Entwaffnen.
    Ich fletschte die Zähne zu einem Grinsen. Also gut, Monsieur. Mehr Glück werdet Ihr heute nicht mehr haben.
    Ich griff ohne Vorwarnung und mit einer raschen Folge von Stößen an. Ich bedrohte Herz, Hals, Auge … Noch zwei Finten, und ich würde ihm die Waffe aus der Hand schlagen.
    Meine Spitze wurde mit einem Ricasso abgewehrt.
    Fludd hob sein Schwert gerade noch rechtzeitig, um mein Rapier zur Seite zu lenken.
    Meine Füße bewegten sich, ohne nachzudenken: ein Schritt zurück. Ich starrte Robert Fludd in der warmen Frühlingsluft an. Irgendetwas stimmt hier nicht. Mein Leib, wenn schon nicht mein Verstand, schrie er mir zu.
    »Ich habe nie gelernt, mich zu verteidigen.« Er klang, als wolle er sich tatsächlich dafür entschuldigen. »Als ich in Italien war, habe ich jedoch öfter einmal den Meistern zugeschaut, wenn sie um Preisgelder gefochten haben.«
    »Ihr habt die Verteidigung also in Italien gelernt.«
    »Nein, Monsieur. Ich habe überhaupt nie gelernt zu kämpfen.«
    »Habt Ihr nicht? Aber nein. Dafür ist Euer Umgang mit dem Schwert viel zu gut, nur … nicht gut genug.« Ich schlug nach seinem Arm, fintierte, stieß über seine Klinge hinweg … und meine Spitze rutschte an seinem Knauf ab, als es ihm gerade so gelang, den blanken Stahl zu parieren.
    Das hätte er nicht schaffen dürfen. Irgendetwas stimmt hier nicht.
    Mit dieser Erkenntnis fasste ich einen Entschluss. Ich ging zum vollen Angriff über und überließ all mein Können der unterbewussten Reaktion: Hand und Auge führten nun das Duell, nicht der Verstand. Das sächsische Rapier, das mir durch langen Gebrauch völlig vertraut war, bewegte sich wie aus einem Guss und zu schnell, als dass man es mit dem Verstand hätte wahrnehmen können. Männer, die ihr Leben als Duellanten verbringen, verfügen über außergewöhnlich gute Reflexe; ich mache da keine Ausnahme.
    Meine Klinge glitt an Fludds Handkorb ab, als er sein Schwert zum exakt richtigen Zeitpunkt zur Seite nahm.
    Mein letzter Hieb wurde abgewehrt, als er das Schwert dagegen hob. Er parierte ihn mit der Spitze des Stichblattzapfens, wo der Stahl nicht dicker ist als ein Fingernagel.
    Ich hätte schwören können, dass er seine Klinge viel zu langsam bewegte, als dass er das hätte schaffen können. Er hat mehr Glück, als ihm zusteht, viel mehr. Er nutzt jede Chance, die ein Fechter nur in den allerseltensten Fällen überhaupt sieht, nutzt jede Fluchtmöglichkeit, pariert jeden Hieb …
    Ich versuchte es anders und schlug einfach einmal ohne Sinn und Verstand zu. Das Rapier mit beiden Händen gepackt drosch ich wie ein Bauer auf ihn ein.
    Die ein Zoll breite Klinge des sächsischen Rapiers berührte Fludd noch nicht einmal. Er wuchtete das englische

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