1610 02 - Kinder des Hermes
würden …
Getrieben von Ungeduld, Verlangen und Dummheit – und aufgrund der paar Schlucke Bier, die ich vielleicht extra für diesen Zweck zu viel getrunken hatte – beugte ich mich zu Dariole hinüber und sagte leise:
»Mademoiselle … Ich sehne mich danach, heute bei Euch zu liegen. Würdet Ihr Euch bereit erklären, das Bett mit mir zu teilen?«
Einen Augenblick lang war ihr Körper wie erstarrt – und sofort war die Starre wieder weg. Doch ich bin ein erfahrener Fechter, der die Körpersprache seines Gegenübers genau zu deuten weiß.
»Dariole …« Ich legte den Kopf in die Hände. »Gütiger Gott im Himmel! Bevor Ihr irgendetwas sagt … Es tut mir Leid!«
Ihre Schulter, die die meine berührte, war angespannt, als stünde Dariole kurz davor, sich zu bewegen. Dann spürte ich, wie sie sich wieder ein ganz klein wenig entspannte.
Ich hob den Kopf, schaute sie an und sagte: »Verzeiht mir. Ich weiß, dass ich Euch nicht darum bitten sollte. Es gibt so viele Gründe … Verzeiht mir. Es hat mich überkommen. Ich bin betrunken …«
Sie warf mir einen Blick zu, der mich augenblicklich verstummen ließ.
»Abgesehen von allem anderen«, sagte Dariole in stockendem Tonfall, »bin ich kein Ersatz für Aemilia Lanier, die sonstwohin davongelaufen ist!«
Ich blinzelte wie eine Eule und verlangte zu wissen: »Was?«
»Ja, sie schreibt Theaterstücke, ja, sie ist schön – nehme ich an.« Dariole funkelte mich wild an. »Ja, sie ist erfahren und intelligent, und sie spricht sechs Sprachen und kann auf dem Wasser laufen, blablabla … Und sie fickt Euch wie eine niederländische Kurtisane. Geht, und sucht Euch eine englische Hure! Ich bin nicht zu haben.«
Ich starrte sie mit offenem Mund an. Mir fehlten die Worte. Wäre ich wachsamer und nicht so betrunken gewesen, ich hätte mir denken können, wie rasch sich Gerüchte in einer Schauspieltruppe verbreiteten, und Dariole war oft mit ihnen zusammen. Das erklärt aber nicht ihren Groll.
Panik überkam mich.
Ich will nicht, dass sie glaubt, ich sei mit Lanier liiert.
Nein … Besser, sie glaubt es. Wenn sie denkt, ich hätte eine andere Frau …
Aber wie kann ich sie denken lassen, ich hätte sie derart beleidigt? Wie kann ich zulassen, dass sie glaubt, ich hätte sie nur gefragt, weil Lanier weg ist?
Wenn ich nichts sage, wird sie annehmen …
Dariole saß mit gesenktem Kopf neben mir und starrte ins Gras, das von den Stiefeln der Männer niedergetrampelt war. Über den Lärm der um uns herum geführten Gespräche hinweg fragte sie: »Warum habt Ihr gesagt, dass es Euch Leid tut? Wofür wollt Ihr Euch entschuldigen?«
Ohne Vorbedacht sprach ich die Wahrheit. »Weil ich so dumm war, Euch zu bitten, bei mir zu liegen, obwohl Ihr vor noch nicht allzu langer Zeit vergewaltigt worden seid – und noch dazu hier.«
Sie hob den Kopf. Ihre Pupillen waren so sehr geweitet, dass ihre Augen mir fast schwarz erschienen. Ich verzehrte mich nach ihr.
Sie sagte: »Ihr wollt nicht mich, Messire.«
Ich ergriff ihre Hand.
Das war das eine Mal, da sie mir ihre Hand nicht hätte geben sollen, doch sie tat es.
Ich drückte sie in meinen Schritt. Durch Seide und Leinen hindurch war deutlich zu fühlen, wie sich mein harter Schwanz an meinen Bauch presste.
»Und was ist das?«, fragte ich. »Was ist das, wenn nicht Verlangen …?«
Sie wich zurück.
Doch es war keine Bewegung, wie ich sie von ihr kannte. Ihr gesamter Körper hatte sich verspannt, und sie zog sich vor mir zurück, die Hand erhoben und die Finger abwehrend gespreizt.
»O Gott!« Ich ließ ihre Hand los.
Reumütig und für jedermann um uns herum deutlich sichtbar kroch ich auf allen vieren von ihr weg und setzte mich dann wieder auf. »Es tut mir Leid! Dariole … Verzeiht mir …«
Die Erde drehte sich nicht, und das Gras bewegte sich nicht unter meinen Füßen; so betrunken war ich also gar nicht. Wäre ich es gewesen, hätte sich mein rebellisches Glied nicht so aufgerichtet. Ich fühlte mich desorientiert. Trotzdem streckte ich die Hand aus und legte sie auf Darioles Beine, die sie an den Leib gezogen hatte, um die Arme darum zu schlingen.
Sofort ließ ich sie jedoch wieder los, als hätte ich glühendes Metall angefasst. »Ich will mich Euch nicht aufdrängen!«
Sie anzuschauen, forderte weit mehr Mut von mir, als ich gedacht hatte.
Ihr Gesicht war kreideweiß und zeigte keinerlei Reaktion. Ich schaute mich nicht um.
»Ich weiß, dass Ihr jetzt nicht mit einem Mann zusammen sein wollt.
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