1610 02 - Kinder des Hermes
nicht und war es auch nie.
»Wird man nicht irgendwann abhängig von der Mathematik?«, theoretisierte ich. »Ist es ein seltsames Gefühl, die Zukunft nicht mehr vorhersagen zu können?«
Fludd ballte die Fäuste im Schoß. »Ich will den König sehen!«
Die Sturheit in seiner Stimme wird schon bald verschwinden, vermutete ich. Spätestens wenn ihm klar wird, was ohnehin schon jeder weiß: Dass er mit seiner Verschwörung gescheitert ist.
Sollte er sich den lebendigen James Stuart ruhig ansehen. Das würde ihn schon wieder in die Realität zurückholen.
Mit einem Schrei des Kutschers hielt Cecils Kutsche vor dem Haus. Reiter stiegen von ihren Pferden.
»Sie ist nicht gekommen«, sagte Saburo und trat neben mich.
»Nein. Wir sollten dabei sein, wenn man ihn in Gewahrsam nimmt.« Ich blickte zu Saburo hinunter. »Es wäre allerdings freundlicher, wenn sie es von einem von uns anstatt von einem Fremden erfahren würde. Wir sollten sie suchen gehen.«
Der Samurai nickte. »Ich hoffe, dass Ihr sie finden werdet, Roshfu-san.«
Schwarzer Humor ließ mich bemerken: »Es ist schon seltsam, Monsieur. Das Gleiche habe ich gerade von Euch gedacht.«
Es ist eine Sache zu akzeptieren, dass man den Mann, der einen missbraucht hat, nicht töten wird, weil er einfach nirgends zu finden ist. Es ist jedoch etwas vollkommen anderes, wenn man ihn fast jeden Tag sieht, wenn man weiß, wo er ist und wie nahe.
Robert Fludd verschwand, als die Soldaten sich um ihn herum sammelten, um ihm die Hände zu binden. Offiziere brüllten Befehle. Der Oberste Minister betrat den Raum, eine kleine, ruhige Mitte inmitten des Chaos. In der Hoffnung, unbemerkt hinauszugelangen, ging ich zur Tür.
Ein Blick und ein Wink der Hand in dem schwarzen Handschuh beraubte mich jedoch dieser Gelegenheit.
»Geht schon einmal vor.« Ich legte Saburo die Hand auf die Schulter. »Und versucht, ihr die Neuigkeit so schonend wie möglich beizubringen.«
Ich ging zu Robert Cecil. »Mylord?«
Er nickte mir freundlich zu und lenkte mich in eine Ecke des Raums, wo man uns nicht so leicht belauschen konnte. »Master Rochefort, das kommt mir sehr gelegen … Ich brauche Euch im Palast von Greenwich. So wie sich die Dinge in letzter Zeit entwickelt haben, will ich Euch wissen lassen: König James akzeptiert Euren Vertrag im Prinzip. Wir sollten uns überlegen, wer aus Frankreich hinüberkommen sollte, um die Einzelheiten auszuhandeln. Wer soll den Vertrag unterzeichnen, und wo könnte man eine entsprechende Konferenz abhalten? Begleitet mich zum König.«
Hin- und hergerissen dachte ich: Ich will Mademoiselle Dariole suchen und ihr berichten, was geschehen ist; aber ich muss auch an dem Vertrag mitarbeiten.
Wie viel Zeit bleibt mir noch, bevor die Ereignisse in Frankreich sich entscheiden werden?
Ich verneigte mich vor Cecil und folgte ihm zur Kutsche hinaus. Vielleicht werde ich es bereuen, aber Saburo muss sie finden.
Die nächsten zehn Stunden verbrachte ich in Gesellschaft von James, Cecil und mal ein, mal zwei ihrer vertrauenswürdigsten Ratgeber und Kuriere. Es waren Männer von einer Art, mit der ich vertraut war, da ihresgleichen auch schon in meinen Diensten gestanden hatten: anonyme Männer, die nicht besser gekleidet waren als der durchschnittliche englische Bürger; Männer, die unbemerkt ein Schiff nach Calais oder Le Havre besteigen und dann die Straße nach Paris oder Rouen nehmen konnten.
Als der Himmel sich verdunkelte, gegen neun Uhr, suchte ich Mademoiselle Dariole sowohl im Tower als auch am Dead Man's Place – wo sich unser Quartier befunden hatte, das seltsamerweise noch immer zu vermieten stand. Als ich sie nicht fand, und da es schon zu spät war, die Heide nach Greenwich zu überqueren, verbrachte ich dort die Nacht. Und die ganze Nacht über hörte ich die Bärenhunde jaulen und stöhnen.
Zehn Tage später erschien der Verhandlungsführer aus Paris.
Cecil und ich hatten darüber gesprochen, wen man wohl nach London schicken würde. Die Nachrichten, die wir von den Agenten erhielten, waren bestenfalls zweideutig zu nennen.
»Kanzler Villeroi«, vermutete ich. »Oder vielleicht auch Ratspräsident Jeannin. Um ehrlich zu sein, Sir, hoffe ich, dass sie jeden schicken außer Concino Concini!«
Bei der Erwähnung des florentinischen Favoriten der Medici zeigte sich auf Robert Cecils Gesicht tatsächlich so etwas wie ein spöttisches Lächeln – ein Ausdruck, wie ich ihn noch nie bei ihm gesehen hatte.
Was Mademoiselle Dariole
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