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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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das kann ich mir denken!«
    »Messire Rochefort zu Füßen seines Herrn …« Sie musterte mich von Kopf bis Fuß. »Werdet Ihr etwa wieder rot?«
    »Nicht im Mindesten!«
    Sie lehnte sich zurück. Es fiel mir schwer, sie nicht wieder in die Arme zu nehmen.
    »Habt Ihr später je geglaubt, dass er Euch tatsächlich würde hinrichten lassen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich war ein entehrter Gentleman, dem das Gesetz verbot, das Schwert an der Seite zu tragen. Ich war gebrandmarkt. Er hätte mich ohne Verhandlung jederzeit töten können. Wir haben nicht oft darüber gesprochen, es sei denn, er verlor einmal die Fassung, was aber nur äußerst selten geschah.«
    Dariole nickte vor sich hin, als bestätige das etwas, was sie sich ohnehin schon gedacht hatte, doch sie sagte nicht, was das war. Nach einem Augenblick sagte sie ein wenig überraschend für mich: »Ihr habt immer eine Geschichte auf Lager, die gegen Euch spricht, Messire …«
    »Alle Männer meines Alters wissen Kriegsgeschichten zu erzählen. Meine sind vielleicht nur nicht ganz so glorreich, wie Ihr gehofft habt.«
    Ich suchte in ihrem Gesicht nach Langeweile, Ungeduld, mangelndem Verständnis – nach all den Reaktionen, mit denen die Jungen auf die Litaneien der Alten reagieren. Doch nichts davon zeigte sich auf ihrem Gesicht, nur körperliche Müdigkeit und unterschwelliger Spott.
    »›Sullys Schwarzer Hund‹«, sagte sie mit nur einem Hauch von Boshaftigkeit. »Oh, denkt doch nur einmal darüber nach, Messire! Da hattet Ihr Eure Lilie, und ich habe es nie gewusst! Was ich Euch angetan hätte …«
    Das Öffnen der Zellentür unterbrach ihr Lachen.
    Ich rappelte mich auf. Mademoiselle Dariole kniete sich nur hin, eine Hand instinktiv, aber nutzlos an der Hüfte.
    »Seine Gnaden, der Earl of Salisbury, wünscht, Euch zu sehen«, verkündete der Wärter. Er senkte die Hellebarde. »Nicht Euch. Ihn. Master Dariole.«

Rochefort: Memoiren
Neununddreißig
    Ich konnte nicht still sitzen bleiben. Ungeduldig marschierte ich in meiner Zelle auf und ab. Der letzte Ausdruck auf Darioles Gesicht war mir im Gedächtnis geblieben: ein Zucken des Mundes, das von großem Staunen sprach.
    »Sobald es sicher ist, werde ich wieder zurückkommen« , hatte sie gesagt.
    »Nur ›bald‹ scheint das nicht zu sein …« Ich blieb kurz stehen, als die Glocken in der Stadt die Stunde schlugen.
    Mittag: Ein Wärter schob mir stumm Fleisch und Wasser herein. Ich aß, war in Gedanken aber ganz woanders.
    Medici? Fludd? Wer?
    Ist Sully tot?
    Schließlich kroch ein Sonnenfleck über die Ostwand meiner Zelle. Drei Uhr nachmittags, sagten die Glocken. Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich unwillkürlich hochfuhr, als die Zellentür geöffnet wurde.
    Eine kleine Gestalt stand in der Tür. Eine Sekunde lang glaubte ich, Dariole sei wieder zurückgekehrt.
    Dann erkannte ich, dass die Gestalt viel zu klein und missgestaltet war.
    »Messire Rochefort.« Robert Cecil winkte dem Wärter, die Tür zu schließen. Ich hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Wäre ich nur ein wenig ungeduldiger gewesen, ich glaube, ich wäre aus der Zelle gestürmt, selbst wenn das bedeutet hätte, dass ich den Obersten Minister Englands über den Haufen hätte rennen müssen.
    »Was ist los, Messire?«, verlangte ich zu wissen.
    Der kleine Mann blinzelte zu dem vergitterten Fenster hinauf und schaute dann wieder zu mir. Irgendetwas an seiner Art machte mich nervös.
    »Ich habe selbst schon genügend schlechte Nachrichten überbracht«, sagte ich. »Was wollt Ihr mir sagen?«
    Cecil verschränkte die Hände auf dem Knauf seines Gehstocks. Die Schatten in der Zelle verbargen seinen Gesichtsausdruck zum Teil; vermutlich war er deshalb auch hierher gekommen, anstatt mich zu sich bringen zu lassen. Deswegen und weil wir über Geheimnisse sprechen werden.
    »Einer meiner Agenten hat krank im Bett gelegen«, sagte Cecil leise. »Durch Zufall – und Ihr wisst ja, wie wichtig der ›Zufall‹ inzwischen für uns ist – hat er dann Robert Fludd gesehen: frei und an St Katherine's Stair. Doktor Fludd ist an Bord eines Schiffes gegangen.«
    »Frei?« Dass Fludd aus dem Haus in Southwark verschwunden war, erstaunte, ja entsetzte mich sogar. »Wie lange ist das jetzt her? Und wohin ist das Schiff gefahren?«
    Cecil hob den Blick, und ein Hauch von Reue zeigte sich auf seinem langen Gesicht. »Es ist mit der Morgenflut gesegelt, Master Rochefort. Das Schicksal wollte es, dass ich nicht

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